Ist Gemeinfreiheit jetzt ansteckend? Zum Schutz von Reproduktionsfotografien

von am 17. Dezember 2015

Will man Fotos von Kunstwerken nutzen, bedarf es – soweit keine Urheberrechtsschranken wie z.B. das Zitat eingreifen – grundsätzlich sowohl der Zustimmung des Urhebers des Kunstwerks als auch der des Urhebers des Fotos. Es sind also die Rechte am Motiv und die an der Fotografie zu klären. Hinsichtlich eines (noch nicht gemeinfreien) Fotos von einem gemeinfreien Wagner-Portrait des Malers Cäsar Willich sah das AG Nürnberg das nun anders: Hier solle es keiner Zustimmung des Urhebers des Fotos bedürfen, weil andernfalls die „Wertungen der Gemeinfreiheit“ umgangen würden (AG Nürnberg, Urteil vom 28.10.2015, Az. 32 C 4607/15). Ist Gemeinfreiheit jetzt also ansteckend?

Im konkreten Fall hatte ein Museum ein Foto eines urheberrechtlich nicht mehr geschützten Gemäldes, eines Portraits von Richard Wagner, anfertigen lassen. Dritten war das Fotografieren des Gemäldes wie auch aller anderen Kunstwerke nicht gestattet – eine übliche Praxis von Museen, um über die Lizenzierung der eigenen Fotos Einnahmen zu erzielen. Das Foto des Museums wurde ohne entsprechende Lizenz im Internet genutzt. Die Stadt als Trägerin des Museums machte wegen Verletzung der Rechte am Foto Schadenersatzansprüche geltend.

Diese Ansprüche kommen nur in Betracht, wenn es sich bei dem Foto um ein urheberrechtlich geschütztes Lichtbildwerk oder aber seinen „kleinen Bruder“, ein Lichtbild im Sinne des § 72 UrhG, handelt. Dass reproduzierende Fotos von Gemälden oder Zeichnungen keine persönliche geistige Schöpfung und damit kein Lichtbildwerk darstellen, ist weitestgehend anerkannt: Durch das Ziel, eine möglichst einwandfreie Reproduktion zu erhalten, ist der schöpferische Gestaltungsspielraum quasi auf Null reduziert.

Das AG Nürnberg hat aber auch den Schutz als Lichtbild i.S.d. § 72 UrhG abgelehnt. An sich handle es sich zwar schon um ein solches Lichtbild. Im konkreten Fall sei aber „aufgrund einer teleologischen Reduktion der Schutzgegenstand zu verneinen“. Würde man Fotos von gemeinfreien Gemälden den 50jährigen Lichtbildschutz zugestehen, so würden mit diesem Schutzrecht die „Wertungen der Gemeinfreiheit“ umgangen.

Sollte die Entscheidung Schule machen, würde Museen eine wichtige Einnahmequelle entzogen. Zudem würde sich auch für Fotos von gemeinfrei gewordenen Designobjekten die Frage stellen, ob diese denn Lichtbildschutz i.S.d. § 72 UrhG genießen können. Bislang ist das weitgehend anerkannt, aber das Argument der Umgehung der Wertungen der Gemeinfreiheit ließe sich ohne Weiteres auf den Designbereich übertragen.

Es darf aber wohl bezweifelt werden, dass andere Gerichte dem AG Nürnberg folgen. Der Gesetzgeber wollte mit dem Lichtbildschutz gerade keine schöpferische Leistung honorieren, sondern eine technische Leistung. Besondere Fähigkeiten sollten nicht erforderlich sein, eine „Leistung“ indes aber erbracht werden – was bloße Vervielfältigungen wie beispielsweise Fotokopien oder Vergrößerungen vom Diapositiv ausschließt.

In der Vergangenheit zumindest haben andere Gerichte in vergleichbaren Fällen Lichtbildschutz angenommen: Das OLG Düsseldorf hat bereits in den 90er Jahren Fotos von Zeichnungen des Künstlers Joseph Beuys Lichtbildschutz zugesprochen (Urteil vom 13.02.1996, Az. 20 U 115/95) ‑ und das LG Berlin ist in einem dem AG Nürnberg ähnlichen Fall ebenfalls von einem Lichtbildschutz ausgegangen (Beschluss vom 19.05.2015, Az. 16 O 175/15).

Stört man sich wie das AG Nürnberg daran, dass Fotos von gemeinfreien Werke nicht frei zirkulieren können, ist daher eher der Gesetzgeber als die Rechtsprechung gefragt. Ansteckend ist die Gemeinfreiheit daher – zumindest derzeit – wohl noch nicht.

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