Automobilhersteller müssen Vorgaben an Design von Benutzeroberflächen wahren

by on 10. Januar 2023

Medienschaffende kommen regelmäßig und zwangsläufig mit den medienregulatorischen Vorgaben des Medienstaatsvertrags in Berührung. Sie wahren Vorgaben im Bereich der Werbung und des Sponsorings, gewährleisten die Barrierefreiheit ihrer Angebote und sichern die Vereinbarkeit ihrer Angebote mit Jugendschutzvorgaben. Die Regulierungssystematik des Medienstaatsvertrags ist jedoch so gestrickt, dass sie mitunter auch Diejenigen betrifft, die mit medienrechtlichen Vorgaben bisher kaum Berührungspunkte hatten – so nun die Automobilhersteller. Auch sie müssen nach Ansicht der Landesmedienanstalt NRW die medienregulatorischen Vorgaben an das Design von Benutzeroberflächen wahren.

Landesmedienanstalten nehmen Automobilhersteller in die Pflicht

Die Konsolen der neuen Fahrzeuggeneration ermöglichen dem Fahrer nichtmehr nur das Hören von CDs und des Autoradios. Sie verfügen über multifunktionale Unterhaltungssysteme, die den Fahrzeuginsassen Audio- und audiovisuelle Inhalte, die auf unterschiedlichsten Wegen empfangbar sind, zu einem Gesamtangebot zusammenfassen. Damit geraten Sie in das Blickfeld der Landesmedienanstalten, die über die Wahrung medienregulatorischer Vorgaben wachen. Nach einem nun von den Landesmedienanstalten in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten fallen, so die Quintessenz der Landesanstalt für Medien NRW, „Autohersteller unter den Medienstaatsvertrag und müssen in Zukunft die Regelungen des § 84 MStV für den linearen Radioempfang im integrierten Audiosystem einhalten“ (Link). In erster Linie soll dies für integrierte Audiosysteme gelten, wobei die Anwendbarkeit des § 84 MStV einer Einzelfallprüfung unterliegen soll. Das Gutachten behandelt lediglich die Einordnung von Audiosystemen und Sprachassistenten, nicht aber die Einordnung audiovisueller Systeme. Auch für diese dürfte sich jedoch prinzipiell eine Anwendbarkeit der medienregulatorischen Vorgaben ergeben.

Vorgaben an Benutzeroberflächen im Medienstaatsvertrag

Benutzeroberflächen sind elektronische Angebots- oder Programmübersichten. Sie vermitteln eine textliche, bildliche oder akustische Übersicht über Angebote oder Inhalte einzelner oder mehrerer Medienplattformen, die der Orientierung dienen und unmittelbar die Auswahl von Angeboten, Inhalten oder softwarebasierten Anwendungen ermöglichen (vgl. die Begriffsdefinition in § 2 Abs. 2 Nr. 15 MStV).

§ 84 MStV enthält Vorgaben an Benutzeroberflächen. Sie betreffen sowohl reine Audio- als auch audiovisuelle Angebote. Zu differenzieren ist zwischen einem allgemeinen Diskriminierungsverbot (§ 84 Abs. 2 MStV) und Vorgaben zur leichten Auffindbarkeit bestimmter Angebote (§ 84 Abs. 3 und 4 MStV). Der in einer Benutzeroberfläche vermittelte Fernseh- und Hörfunk hat in seiner Gesamtheit etwa auf der ersten Auswahlebene, z.B. auf der Startseite, unmittelbar erreichbar und leicht auffindbar zu sein. Detaillierte Vorgaben an die Listung von Audio- und audiovisuellen Inhalten auf Benutzeroberflächen machen die Landesmedienanstalten in ihren rechtlich bindenden Empfehlungen (vgl. hierzu den zugehörigen Blogbeitrag).

Die Praxis: Das Design von Benutzeroberflächen in der Einzelfallprüfung

Bei der Anwendung der Vorgaben auf Benutzeroberflächen in Automobilen handelt es sich um einen medienregulatorischen Sonderfall. Das Design von Benutzeroberflächen in Automobilen ist auf eine unkomplizierte Darstellungsweise und große Schaltflächen ausgelegt, um dem Fahrer die Nutzung während des Fahrens zu erleichtern. Benutzeroberflächen in Automobilen vermögen damit naturgemäß nicht das Maß der leichten Auffindbarkeit von Angeboten zu gewährleisten, das an die Benutzeroberfläche etwa von Amazon Prime auf einem Smart-TV im Wohnzimmer anzulegen ist. Die Gestaltung des Designs von Benutzeroberflächen in Fahrzeugen gerät so zum Drahtseilakt, bei dem sowohl medienregulatorische Vorgaben als auch Sicherheitsaspekte im Blick zu behalten sind. Juristisch sorgfältig zu untersuchen ist hierbei der jeweilige Einzelfall, bei dem wohl auch danach zu differenzieren ist, ob sich eine Medienplattform mit Benutzeroberfläche im Cockpit des Fahrzeugs befindet oder zur Unterhaltung allein der Mitfahrenden auf der Rückbank bestimmt ist.

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