Birkenstock-Sandale: Eng begrenzter Schutzbereich eines Geschmacksmusters

von am 7. Dezember 2022

Ruft ein Geschmacksmuster im Vergleich mit dem vorbekannten Formenschatz aufgrund der Ähnlichkeit zahlreicher Gestaltungsmerkmale einen nur geringfügig abweichenden Gesamteindruck hervor, ist der Schutzbereich dieses Geschmacksmusters als eng anzusehen.

Sachverhalt

Mittelpunkt des Verfahrens vor dem OLG Düsseldorf (Urteil vom 07.07.2022, Az. 20 U 33/22) ist eine Sandale mit Fellbezug, die von der Antragstellerin und in ähnlicher Form auch von der Antragsgegnerin angeboten wurde.

Die Antragstellerin nahm die Antragsgegnerin daraufhin im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens wegen Verletzung eines eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters (im Folgenden „Verfügungsgeschmacksmuster“) auf Unterlassung in Anspruch.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung verurteilte das LG Düsseldorf die Antragsgegnerin zur unionsweiten Unterlassung.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung. Diese begründet sie wie folgt: Zunächst sei das Verfügungsgeschmacksmuster mangels Neuheit und Eigenart nicht rechtsbeständig – die Antragsgegnerin legte andere Sandalenmodelle mit Fellbezug vor, die schon vor dem Prioritätstag angeboten wurden. Zudem werde das Verfügungsgeschmacksmuster nicht verletzt, da das angegriffene Muster einen anderen Gesamteindruck hervorrufe.

Entscheidung

Im Gegensatz zum LG Düsseldorf verneint das OLG Düsseldorf eine Verletzung des Verfügungsgeschmacksmusters mit der folgenden Begründung.

Der Einwand der fehlenden Rechtsbeständigkeit sei zunächst nicht begründet, da von der für eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster geltenden Vermutung der Rechtsgültigkeit auszugehen sei. Zwar sei fraglich, ob das Verfügungsgeschmacksmuster über die erforderliche Eigenart verfüge. Insbesondere ein von der Antragsgegnerin vorgelegtes Sandalenmodell, das bereits vor dem Anmeldetag angeboten wurde, nehme einige prägende Merkmale des Verfügungsgeschmacksmusters vorweg. Es gebe lediglich zwei Unterschiede. Ob diese ausreichen, um die Eigenart zu begründen, bedürfe jedoch keiner Entscheidung. Die angegriffene Ausführungsform falle jedenfalls nicht in den Schutzbereich des Verfügungsgeschmacksmusters.

Die angegriffene Sandale rufe nämlich einen anderen Gesamteindruck hervor. Im Rahmen der Verletzungsprüfung und des Vergleichs des jeweiligen Gesamteindrucks seien bei der Beurteilung des Schutzumfangs die Musterdichte und der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers zu berücksichtigen. Eine hohe Musterdichte und ein kleiner Gestaltungsspielraum könnten zu einem engen Schutzumfang führen. Zudem werde der Schutzumfang durch den Abstand eines Geschmacksmusters zum vorbekannten Formenschatz bestimmt. Je mehr der Entwerfer seinen Gestaltungsspielraum ausnutze und je größer der Abstand eines Geschmacksmusters zum vorbekannten Formenschatz, desto größer sei sein Schutzumfang.

Der von der Antragsgegnerin vorgelegte Formenschatz ergebe, dass im Zeitpunkt der Priorität bereits einige Sandalenmodelle auf dem Markt angeboten wurden, die dem Verfügungsgeschmacksmuster sehr ähneln. Es sei daher von einer hohen Musterdichte auszugehen.

Von diesen bereits auf dem Markt vorhandenen Sandalenmodellen unterscheide sich das Verfügungsgeschmacksmuster nur durch seine lockige, gemütlich-verspielte Teddy-Optik des Fells und die kontrastierende Farbe der Dornschnalle. Sein Abstand zu den vorbekannten Entgegenhaltungen sei daher gering und der Schutzbereich damit als eng begrenzt anzusehen.

Unter Zugrundelegung dieses eng begrenzten Schutzbereichs erwecke das Sandalenmodell der Antragsgegnerin einen anderen Gesamteindruck. Insbesondere habe sie gerade keine sichtbare Korksohle, da das Teddyfell die Seiten der Sohle bedecke und die Sandale rundherum bezogen wirke.

Das Sandalenmodell der Antragsgegnerin übernehme zwar die Optik des Teddyfellbezugs. Die deutlich sichtbare Korksohle des Verfügungsgeschmacksmusters sei jedoch derart prägend für dessen Gesamteindruck, dass ihr Fehlen aufgrund des umlaufenden Fellbezugs zu einem völlig anderen Gesamteindruck führe.

Praxishinweis

Das Urteil des OLG Düsseldorf unterstreicht die Relevanz der Darlegung des vorbekannten Formenschatzes auf Seiten des Verletzers. Können viele ähnliche Muster vorgelegt werden, die bereits vor dem Anmelde-/Prioritätstag auf dem Markt waren, erleichtert dies die Begründung eines engen Schutzumfangs.

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