Die neuen Auskunftspflichten nach §32d und § 32e UrhG – Teil VI: Folgen bei Verletzung der Auskunftspflicht
Das Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes vom 7. Juni 2021 hat den Auskunftsanspruch des § 32d Urheberrechtsgesetz (UrhG) neu ausgestaltet: Mindestens einmal pro Jahr ist nunmehr seitens des Vertragspartners im Falle der entgeltlichen Einräumung eines Nutzungsrechts gegenüber Urhebern und ausübenden Künstlern Auskunft zu erteilen über den Umfang der Werknutzung und die hieraus gezogenen Erträge und Vorteile. Nach der Übergangsvorschrift (§ 133 Abs. 3 UrhG) sind nun spätestens ab 7. Juni 2023 diese Auskunftspflichten proaktiv umzusetzen.
Mit welchen Konsequenzen müssen Vertragspartner/Verwerter rechnen, wenn sie ihren Auskunftspflichten nicht (rechtzeitig) oder nicht in ausreichendem Umfang nachkommen? – Die Auskunftserteilung kann sowohl individuell als auch kollektiv durchgesetzt werden.
Individueller Anspruch des einzelnen Urhebers
Zunächst kann der einzelne Urheber seinen Auskunftsanspruch individuell durchsetzen, wenn die Auskunft überhaupt nicht, nicht rechtzeitig oder nicht in ausreichendem Umfang erteilt wurde. Dies kann durch ein Aufforderungsschreiben des Urhebers/Künstlers selbst, oder durch Einschaltung eines Rechtsanwalts jeweils mit Fristsetzung zur Erfüllung geschehen, nach deren fruchtlosem Ablauf auf Auskunft geklagt werden kann. In der Praxis sind im letzteren Fall die Kosten der Einschaltung eines Rechtsanwalts von Bedeutung, die wegen der Verletzung gesetzlicher Pflichten geltend gemacht werden können.
Kollektiver Unterlassungsanspruch
Neu ist auch der mit § 36d UrhG eingeführte „Unterlassungsanspruch bei Nichterteilung von Auskünften“. Entgegen der Überschrift handelt es sich bei § 36d UrhG inhaltlich nicht um einen Unterlassungsanspruch, sondern um einen Leistungsanspruch auf Auskunftserteilung in allen gleich oder ähnlich gelagerten Fällen. Eine Durchsetzung im Wege der einstweiligen Verfügung sollte daher nur unter den strengen Voraussetzungen möglich sein, die für die Durchsetzung von Leistungsansprüchen gelten. Diese Voraussetzungen dürften in der Praxis kaum zu erfüllen sein.
Der Anspruch kann nur von Urhebervereinigungen im Sinn von § 36 Abs. 2 UrhG geltend gemacht werden, also von Vereinigungen, die repräsentativ, unabhängig und befugt sind, gemeinsame Vergütungsregeln aufzustellen. Damit will der Gesetzgeber die Anonymität der Urheber und ausübenden Künstler wahren und „Negativlisten“ verhindern. Zudem soll durch die Aktivlegitimation eines Kollektivs verhindert werden, dass Werknutzer auf eine Abmahnung des Urhebers oder ausübenden Künstlers warten und die Auskunftspflicht leerläuft.
Der Anspruch setzt eine systematischen Nichterteilung von Auskünften nach § 32d UrhG voraus. Dies ist der Fall, wenn ein Vertragspartner/Verwerter in einer Vielzahl von gleich oder ähnlich gelagerten Fällen seinen Auskunftspflichten nach § 32d oder § 32e UrhG nicht nachkommt.
Die Beweiserleichterung des § 36d Abs. 2 UrhG sieht dabei vor, dass es für die Geltendmachung des Anspruchs ausreicht, wenn aufgrund nachprüfbarer Tatsachen deutliche Anhaltspunkte für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen bestehen. Gleichgelagerte Fälle liegen beispielsweise bei der Nutzung im Rahmen von nachgelagerten Online-Verwertungen vor. Kein Unterlassungsanspruch besteht demnach in Einzelfällen, die z.B. auf einem Büroversehen beruhen.
Ebenso wie die Auskunftspflichten nach § 32d und § 32e UrhG kann auch der Unterlassungsanspruch nach § 32d Abs. 2 UrhG ausgeschlossen sein, wenn die Auskunftspflichten in gemeinsamen Vergütungsregeln oder in einem Tarifvertrag geregelt sind.
Praxistipp
Die Auskunftspflicht kann auf individueller und vor allem auf kollektiver Ebene gerichtlich durchgesetzt werden. Bei Nichtbeachtung solcher Urteile drohen Ordnungsgelder. Die in der vorangegangenen Serie beschriebenen Grauzonen der Auskunftspflicht werden in den kommenden Monaten und Jahren sicherlich noch durch Musterverfahren von den Gerichten geschärft werden müssen.
Vorherige Beiträge
Teil I – Auskunftsberechtigte und -verpflichtete
Teil II – Ausnahmen von der Auskunftspflicht
Teil III – Inhalt der Auskunftspflicht
Teil IV – Form der Auskunft
Teil V – Arbeitnehmerurheber