BGH: Facebook muss Erben vollumfänglichen Zugriff gewähren

by on 7. Oktober 2020

Sachverhalt

Die Eltern eines 2012 bei einem U-Bahn-Unfall verstorbenen 15-jährigen Mädchens verlangen von Facebook vollen Zugriff auf den Facebook-Account ihrer Tochter, weil sie sich aus den Inhalten Hinweise darauf erhoffen, ob es sich um einen Suizid handelte. Facebook hatte den Account des Mädchens nach deren Tod in den sogenannten „Gedenkzustand“ versetzt, so dass die Eltern nicht mehr darauf zugreifen konnten. Das Landgericht Berlin hatte Facebook im Jahr 2015 verurteilt, den Eltern als Erben Zugriff auf das vollständige Benutzerkonto und die darin enthaltenen Kommunikationsinhalte zu gewähren. Der BGH hatte diese Entscheidung mit Urteil vom 12. Juli 2018 (Az.: III ZR 183/17) letztinstanzlich bestätigt.

Facebook hatte den Eltern daraufhin einen USB-Stick mit einem 14.000-seitigen PDF-Dokument überlassen, das nur unstrukturierte und von Facebook vorausgewählte Auszüge des Facebook-Accounts enthält. Die Eltern sind der Meinung, dass Facebook damit seine Verpflichtung aus dem Urteil des LG Berlin nicht erfüllt hat. Sie haben deshalb gegen Facebook ein Zwangsgeld von 10.000 € beantragt, welches das LG Berlin antragsgemäß festgesetzt hat. Auf die sofortige Beschwerde von Facebook hin hat das Kammergericht Berlin den Beschluss des Landgerichts aufgehoben und den Antrag der Eltern auf Festsetzung eines Zwangsmittels zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Kammergericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Eltern zum BGH.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Beschluss vom 27. August 2020 (Az.: III ZB 30/20) Folgendes entschieden: Facebook hat seine Verpflichtung aus dem Urteil des LG Berlin vom 17. Dezember 2015 nicht erfüllt. Bereits die Auslegung des Tenors des Urteils des LG Berlin ergibt laut BGH, dass den Eltern nicht nur Zugang zu den im Benutzerkonto vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren, sondern darüber hinaus auch die Möglichkeit einzuräumen ist, vom Benutzerkonto selbst und dessen Inhalt auf dieselbe Art und Weise Kenntnis nehmen zu können, wie es die ursprüngliche Kontoberechtigte konnte.

Die von Facebook ertsellte PDF-Datei bildet das Benutzerkonto nicht vollständig ab. Dadurch wurde den Eltern kein vollständiger Zugang zum Benutzerkonto gewährt. Letzteres erfordert nicht nur die Darstellung der Inhalte des Kontos, sondern auch die Eröffnung aller seiner Funktionalitäten – mit Ausnahme derer, die seine aktive Weiternutzung betreffen.

Auswirkungen für die Praxis

Bereits mit Urteil vom 12. Juli 2018 hatte der BGH entschieden, dass der Nutzungsvertrag mit Facebook im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB vererblich ist und dem weder das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers noch das Fernmeldegeheimnis oder das Datenschutzrecht entgegenstehen. Mit seinem Beschluss vom 27. August 2020 konkretisiert der BGH nun noch einmal, was das ganz genau bedeutet: Die Erben müssen sich – mit Ausnahme einer aktiven Nutzung – in dem Facebook-Konto genau „so bewegen können“ wie zuvor die/der ursprüngliche Kontoberechtigte.

Inzwischen heißt es in den Nutzungsbedingungen von Facebook:

(Quelle: https://www.facebook.com/terms, Stand: 7. Oktober 2020)

Als „Nachlasskontakt“ können aktuell nur Facebook-Freunde benannt werden.

Im Zusammenhang mit dieser Regelung stellen sich weitere, interessante Rechtsfragen: Ist mit dieser Regelung zur Möglichkeit der Benennung eines „Nachlasskontakts“ die Vererblichkeit des Facebook-Accounts generell ausgeschlossen? Was passiert, wenn der Nachlasskontakt kein Erbe ist und die Erben eine Offenlegung verlangen, der Nachlasskontakt sich dieser aber widersetzt? Trotz zweier BGH-Entscheidungen scheinen weitere Streitigkeiten um die Vererblichkeit des Facebook-Accounts vorprogrammiert.

Facebook-Nutzern ist zu raten, dass sie sowohl auf der Plattform, als auch in einem Testament Regelungen dazu treffen, was mit dem Facebook-Account im Falle ihres Todes geschehen soll. Sie haben zum Beispiel auch die Möglichkeit, in den Facebook-Einstellungen festzulegen, dass ihr Konto nach dem Tod gelöscht wird. Das funktioniert wie folgt:

Facebook_Löschung nach Tod

(Quelle: https://www.facebook.com/help/memorialized, Stand: 7. Oktober 2020)

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