Gemälde in Videofilmen – Wann darf man es nach § 57 UrhG ohne zu fragen nutzen?

by on 30. Juni 2021

Vom Grundsatz, dass man den Urheber eines Werkes fragen muss, gibt es einige gesetzliche Ausnahmen. Eine dieser sogenannten Schranken ist das unwesentliche Beiwerk (§ 57 UrhG). Ohne Zustimmung des Urhebers ist danach die Herstellung von Kopien eines Werks und deren Verbreitung (z.B. Verkauf) als auch das Anbieten zum Abruf über das Internet zulässig, wenn das Werk neben dem eigentlichen Gegenstand der Nutzung „unwesentlich“ verwendet wird. Was nun aber eine unwesentliche Verwendung eines Werkes ist, ist angesichts der Unbestimmtheit des Begriffs „Unwesentlichkeit“ häufig Gegenstand von Streitigkeiten. In der Rechtsprechung hat sich bereits der BGH mit diesem Thema befasst und war der Auffassung, dass eine zu große Darstellung eines zeitgenössisches Gemäldes neben einem Möbel-Ensemble in einem Katalog nicht unwesentlich sei und es damit der Zustimmung des Urhebers zur Nutzung bedürfe (BGH, Urt. v. 17.11.2014, Az. I ZR 177/13 – Möbelkatalog). Wann aber ein Werk zu groß ist und welche anderen Kriterien im Einzelfall gelten, ist Gegenstand einer Vielzahl von Gerichtsentscheidungen. Jüngst musste sich das LG Flensburg erneut mit der Frage der „Unwesentlichkeit“ im Rahmen der Nutzung eines Gemäldes in einem Videofilm auseinandersetzen (LG Flensburg, Urt. v. 07.05.2021, Az. 8 O 37/21).

Sachverhalt

Die Klägerin schuf unter dem Namen „Edelblüte“ verschiedene Kunstwerke. Diese Kunstwerke zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass es sich um kreisförmige Platten handelt, denen Lichtquellen hinterlegt sind und deren Vorderseite kreis- und spiralförmige Furchen in glänzendem, silbern- bzw. goldschimmerndem Farbbett aufweisen. Hierdurch bewirkt die Klägerin eine Dreidimensionalität und die Erinnerung an eine Blüte. Die Beklagte entdeckte diese Kunstwerke und schuf auf Grundlage dieser Werke leicht abgewandelte Kunstwerke, die aber das charakteristische Gepräge der „Edelblüte“ aufwiesen. Diese nachgeahmten Werke veräußerte die Beklagte. Zudem veröffentlichte die Beklagte am 3. März 2021 ein Video über ihren Instagram-Account. In dem Video stellt die Beklagte ihr Nagel- und Kosmetikstudio vor. Während der Dauer von ca. 50 % des Videos (konkret ca. 1,5 Minuten) ist neben dem Kopf der Beklagten gut sichtbar eine Nachahmung der „Edelblüte“ zu sehen. Die Klägerin verlangte nach Kenntnisnahme von der Beklagten die Unterlassung der Nutzung der „Edelblüte“ durch deren Verkauf und das Video. Mangels Einigung stellte die Klägerin beim LG Flensburg einen entsprechenden Verbotsantrag.

Entscheidung

Das LG Flensburg gab der Klägerin Recht und verbot der Beklagten Verkauf und Nutzung der „Edelblüte“ im Video. Das Gericht teilte insbesondere nicht die Meinung der Beklagten, dass es sich bei der Nutzung der „Edelblüte“ im Video um ein unwesentliches Beiwerk gemäß § 57 UrhG handele.

Ein Nutzung eines Werkes sei nach Maßgabe der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Urt. v. 17.11.2014, Az. I ZR 177/13 – Möbelkatalog) unwesentlich, wenn es ausgetauscht werden könne, ohne dass dies auffiele oder ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes in irgendeiner Weise beeinflusst werde. Weiter sei es unwesentlich, wenn das Werk für den Hauptgegenstand aufgrund der Zufälligkeit oder Beliebigkeit der Nutzung keine Bedeutung habe. Sollte das Werk für den Hauptgegenstand aber auch nur eine geringe oder nebensächliche Bedeutung haben, so sei die Nutzung nicht unwesentlich und bedürfe der Zustimmung des Urhebers. Dies gelte auch, wenn das Werk stimmungs- oder stilbildend genutzt werde, zwecks Unterstreichung einer bestimmten Wirkung oder Aussage in den Hauptgegenstand einbezogen werde, einen dramatischen Zweck erfülle oder charakteristisch in den Hauptgegenstand aufgenommen werde.

Das LG Flensburg verneinte nach Maßgabe dieser Kriterien die Unwesentlichkeit und bejahte die Notwendigkeit der Einholung der Zustimmung der Klägerin. Es ging davon aus, dass das Werk „Edelblüte“ für eine erhebliche Dauer und repräsentativ in das Video aufgenommen worden sei. Dies ergebe sich daraus, dass das Video überwiegend die Beklagte zeige und neben dem Kopf der Beklagten hervorgehoben und in erheblicher Größe das Werk zu sehen sei. Damit präge das Werk „Edelblüte“ jedenfalls den ästhetischen Eindruck des im Video zu sehenden Studios mit.

Die Zustimmung der Klägerin zur Nutzung ihres Werks „Edelblüte“ sei damit erforderlich. Da es hieran fehlte und auch die anderen Voraussetzungen vorlagen, verbot das Gericht der Beklagten die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung des Werks.

Auswirkungen für die Praxis

Das Urteil reiht sich in die bisherige Rechtsprechung ein und bestätigt die Auffassung des BGH. Es muss im jeweiligen Einzelfall abgewogen werden, ob die Einbindung eines Werkes in einen anderen Hauptgegenstand aufgrund der Dauer und der Art und Weise der Nutzung noch als unwesentlich gelten kann und damit die Zustimmung des Urhebers nicht einzuholen ist. Eine starke zeitliche und tatsächliche Präsenz des Werks spricht zweifelsohne gegen die Unwesentlichkeit. Ist hingegen „verloren“ und leicht austauschbar im Hintergrund ein Werk in einem Film, Printprodukt etc. zu sehen, welches für den Hauptgegenstand bzw. dessen Dramaturgie keine Relevanz hat, so spricht viel dafür, dass diese Nutzung unwesentlich gemäß § 57 UrhG ist. Zu beachten ist aber, dass bereits eine geringe oder nebensächliche Bedeutung des Werks für den Hauptgegenstand problematisch ist. Im Zweifel sollte daher auf das Werk nach Möglichkeit verzichtet oder aber eine juristische Expertise eingeholt werden.

Es sei abschließend noch auf Folgendes hingewiesen. Das LG Flensburg hat sich nicht mit der Frage beschäftigt, ob die Bearbeitung des Werks „Edelblüte“ Relevanz hat. Dies ist aber der Fall. Selbst unterstellt, dass es sich vorliegend bei der Nutzung um ein unwesentliches Beiwerk handeln würde, wäre die Nutzung gleichwohl unzulässig. Die Beklagte hat nämlich das Werk „Edelblüte“ abgewandelt wiedergegeben. Nach § 62 Abs. 1 UrhG dürfen aber selbst im Fall der Einstufung der Nutzung eines Werks als unwesentliches Beiwerk keine Änderungen des Werks erfolgen. Dies war aber vorliegend der Fall.

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