Nachtzuschlag für Zeitungszusteller

Investigativer Journalismus durch § 202 d StGB nicht gefährdet

von am 25. August 2022

Erst kürzlich wurde der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. März 2022 (Az. 1 BvR 2821/16) veröffentlicht. Diesem lag eine Verfassungsbeschwerde betreffend die im Jahre 2015 eingeführte Strafrechtsnorm des § 202 d StGB (Datenhehlerei) zugrunde. Obwohl die Verfassungsbeschwerde als unzulässig abgewiesen wurde, wird die „Entscheidung“ von den Beschwerdeführern als Erfolg gefeiert.

Zum Hintergrund

Beschwerdeführer waren mehrere Personen und Verbände, die selbst oder unterstützend investigativ tätig sind. Sie wandten sich gegen § 202 d StGB und gegen § 97 Abs. 2 S. 3 StPO a. F., der auf die Datenhehlerei Bezug nimmt und die Ausnahmen vom Beschlagnahmeverbot regelt (seit 2017 im Wesentlichen § 97 Abs. 2 S. 2 StPO n.F.).

Im Fokus der Kritik steht, dass § 202 d StGB schlampig formuliert sei und dass ihm – dem Wortlaut nach – Handlungen unterfallen, die für einen investigativen Journalismus typisch und wichtig seien. Journalisten und externe unterstützende Personen sowie potenzielle Informanten könnten insofern abgeschreckt werden. Gerügt wurde eine Verletzung der Presse- und Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG, der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG sowie des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots aus Art. 103 Abs. 2 GG.

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts

Laut Bundesverfassungsgericht ist die Verfassungsbeschwerde bereits unzulässig, weil die Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten durch die angegriffenen Regelungen nicht hinreichend substantiiert dargelegt haben. Zu der Prüfung und Entscheidung darüber, ob die Verfassungsbeschwerde begründet gewesen wäre, kam es also gar nicht. Im Rahmen des Nichtannahmebeschlusses führte das Bundesverfassungsgericht jedoch auf elf Seiten aus, warum zumindest die Sorge der Beschwerdeführer unbegründet sei.

Die von den Beschwerdeführern vorgetragenen Fälle seien eindeutig nicht vom Tatbestand des § 202 d StGB umfasst. Dies gehe vor allem aus der Gesetzesbegründung hervor, die vom Bundesverfassungsgericht an mehreren Stellen herangezogen wurde.
Informanten, die klassischen „Whistleblower“, seien regelmäßig zugriffsberechtigte Mitarbeiter des jeweiligen Unternehmens, weshalb sie die Daten nicht – wie vom Tatbestand gefordert – rechtswidrig „erlangen“, sondern eher rechtswidrig weitergeben. Auch ein Vorsatz der Journalisten wäre in diesem Zusammenhang wohl regelmäßig zu verneinen. Denn das Bewusstsein, dass die Daten aus irgendeiner rechtswidrigen Tat stammen, reiche nicht aus. Gleiches gilt für die erforderliche Bereicherungs- und Schädigungsabsicht, die insbesondere dann nicht gegeben sei, wenn die Aufklärung von Missständen im Vordergrund stehe. Was den Ausschlusstatbestand des § 202 d Abs. 3 Nr. 2 StGB angeht, so sei dieser – entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer – auch umfassend und ausreichend. Laut Gesetzesbegründung bezwecke er den Ausschluss sämtlicher journalistischer Tätigkeiten, etwa auch unergiebiger Recherchen. Die vermeintlich abschreckende und damit eingriffsäquivalente Wirkung der Norm sei nicht nachvollziehbar. Seit 2018 seien auch keine Verfahren nach § 202 d StGB Journalisten betreffend bekannt.

Praxishinweis

Zwar konnten nicht alle möglichen Konstellationen behandelt werden. Zudem gibt es nach wie vor ungeklärte Fragen, gerade im Hinblick auf die Strafbarkeitsrisiken für externe unterstützende Personen. Insgesamt wird die Pressefreiheit jedoch durch die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, wenn auch „nur“ im Rahmen eines Nichtannahmebeschlusses, einmal mehr gestärkt.

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