Kein Anspruch auf Arbeit ohne Maske am Arbeitsplatz
Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 12. April 2021 (Az.: 2 SaGa 1/21) entschieden, dass Beschäftigte bei bestehender Maskenpflicht am Arbeitsplatz trotz eines ärztlichen Attests keinen Anspruch auf Arbeit ohne Maske gegen ihren Arbeitgeber haben.
Sachverhalt
Der Kläger ist bei der beklagten Kommune als Verwaltungsmitarbeiter im Rathaus beschäftigt. Die Kommune ordnete aufgrund der Corona-Pandemie in den Räumlichkeiten des Rathauses das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung für Besucher*innen und Beschäftigte an.
Daraufhin legte der Kläger zwei ärztliche Atteste vor, die ihn von der Maskenpflicht am Arbeitsplatz und von der Pflicht zum Tragen von Gesichtsvisieren jeglicher Art befreiten. Außerdem teilte der Kläger mit, dass die Unmöglichkeit, Maske oder Visier zu tragen, auf einer Traumatisierung infolge einer Straftat beruhe, deren Opfer er im Alter von 13 Jahren geworden sei. Dies mache es ihm nun unmöglich, sein Gesicht zu bedecken. Ohne Gesichtsbedeckung wollte die Beklagte den Kläger nicht im Rathaus beschäftigen.
Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrte der Kläger im Eilverfahren seine Beschäftigung im Rathaus ohne Gesichtsbedeckung; alternativ wollte er im Homeoffice beschäftigt werden. Das Arbeitsgericht Siegburg hat den Antrag mit Urteil vom 16.12.2020 (Az. 4 Ga 18/20) zurückgewiesen. Es hat die Anordnung der Mund-Nase-Bedeckung als vom Direktionsrecht umfasst angesehen. Gegen das erstinstanzliche Urteil legte der Kläger Berufung zum Landesarbeitsgericht Köln ein.
Entscheidung
Das LAG Köln hat die Entscheidung des ArbG Siegburg bestätigt und die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte seine Arbeitsleistung im Rathaus ohne das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung duldet.
Eine Maskenpflicht am Arbeitsplatz ergibt sich inzwischen schon allein aus der seit dem 07.04.2021 geltenden Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen sowie aus der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 21.01.2021. Außerdem ist die Anordnung auch vom Direktionsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Abs. 1 GewO gedeckt. Das Tragen einer FFP-2-Maske dient dem Infektionsschutz sowohl der Mitarbeiter*innen und Besucher*innen des Rathauses als auch des Klägers selbst.
Die Anordnung ist auch verhältnismäßig unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger an einer psychischen Erkrankung leidet, die es ihm unmöglich macht, der Maskenpflicht nachzukommen. Denn das Interesse der Beklagten, den Ausstoß von Aerosolen im Rathaus auf dem geringstmöglichen Niveau zu halten, geht in der Abwägung dem Interesse des Klägers vor, ohne Maske arbeiten zu können. Da der Kläger der Anordnung aus gesundheitlichen Gründen nicht nachkommen kann, gilt er als arbeitsunfähig und hat deshalb Anspruch auf Entgeltfortzahlung bzw. Krankengeld.
Ein Anspruch des Klägers auf Tätigkeit im Homeoffice besteht im konkreten Fall nicht. Zumindest Teile seiner Aufgaben müssen vor Ort im Rathaus erledigt werden (z. B. Bearbeitung von Bauakten, die nicht digital vorliegen). Eine partielle Tätigkeit zu Hause würde die Arbeitsunfähigkeit nicht beseitigen, so dass ein Home Office-Arbeitsplatz nicht eingerichtet werden muss.
Praxishinweis
Das Urteil ist sachgerecht und zu begrüßen. Das Interesse am Gesundheitsschutz der Allgemeinheit muss hier selbstverständlich den Vorrang vor dem Interesse des einzelnen Beschäftigten haben. Dem Interesse des Beschäftigten wird dadurch Rechnung getragen, dass er bei entgegenstehendem ärztlichen Attest nicht zur Arbeit mit Maske gezwungen werden kann, sondern als arbeitsunfähig gilt und Entgeltfortzahlung bzw. Krankengeld erhält.
Die Entscheidung zeigt einmal mehr die Reichweite des Direktionsrechts des Arbeitgebers nach § 106 Abs. 1 GewO, wonach der Arbeitgeber den Inhalt der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen kann, soweit die Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder Gesetz festgelegt sind. Gerade in Fällen, in denen eine Weisung offensichtlich dem „gesunden Menschenverstand“ entspricht, wird sie regelmäßig vom Direktionsrecht gedeckt sein.
Das Urteil ist im Volltext hier abrufbar.