Kein Lichtbildschutz für computergenerierte Produktfotos

von am 29. Mai 2020

Gute Produktfotos sind unerlässlich für die erfolgreiche Vermarktung eines Produkts. Immer häufiger werden solche Produktfotos jedoch nicht von einem Fotografen erstellt, sondern von einem Grafiker. Dieser erstellt das Produktbild am Computer mit Hilfe eines sogenannten CAD-Tools („Computer-Aided Design-Tool“). Optisch besteht für den Betrachter zwischen einem echten Foto und comptergenerierten Produktbild kaum ein Unterschied. Rechtlich allerdings sind diese beiden Arten von Produktbildern unterschiedlich zu beurteilen.

Das KG Berlin (KG, Urt. vom 16.1.2020 – 2 U 12/16.Kart) hat kürzlich entschieden, dass ein am Computer generiertes Produktbild weder als urheberrechtliches Werk i.S.d § 2 UrhG noch als Lichtbild nach § 72 UrhG Schutz genießt. Es hat daher urheberrechtliche Ansprüche des Klägers wegen Verwendung dieses Produktbildes durch einen Dritten verneint.

Sachverhalt

Im konkreten Fall hatte der Kläger, ein Parfumhersteller, Produktbilder seiner Parfumflakons mit Hilfe eines CAD-Tools am Computer erstellen lassen. Der Beklagte hatte diese Bilder ohne Zustimmung des Klägers auf seiner Internetseite zur Bewerbung der Produkte genutzt.

Der Kläger hatte gegen den Beklagten unter anderem auf Unterlassung der Nutzung geklagt und sich dabei auf die Verletzung seines Urheberrechts bzw. seines Leistungsschutzrechts nach § 72 UrhG an den Produktbildern gestützt. Er war der Ansicht, das Computerprogramm sei mit einem virtuellen Fotostudio vergleichbar. Daher sei auch der künstlerische Gestaltungspielraum bei der Erstellung der CAD-Bilder mit der Leistung eines Fotografen bei der „echten“ Produktfotografie vergleichbar und die computergenerierten Produktbilder urheberrechtlich schutzfähig.

Die Vorinstanz (LG Berlin) hatte eine Rechtsverletzung durch den Beklagten bejaht. Das Landgericht hatte den computergenerierten Produktbildern den Schutz nach § 72 UrhG zuerkannt und diese damit tatsächlichen Fotografien eines Produkts gleichstellt.

Entscheidung

Das Kammergericht Berlin sah dies anders und lehnte urheberrechtliche Ansprüche des Klägers letztlich ab.

Keine Werkqualität des CAD-Produktbildes

Zunächst stellt das Gericht fest, dass die CAD-Produktbilder keine nach § 2 UrhG urheberrechtlich geschützten Werke darstellen. Ein urheberrechtlicher Schutz setze eine gewisse Gestaltungshöhe voraus. Dazu bedürfe es einer ästhetischen Wirkung der Produktbilder, die nicht dem Gebrauchszweck geschuldet sei, sondern auf einer künstlerischen Leistung beruhe.

Nach Ansicht des Gerichts ist diese Gestaltungshöhe bei den computergenerierten Produktbildern nicht erreicht worden. Das Motiv der Bilder sei bereits durch das dargestellte Produkt vorgegeben, so dass hinsichtlich des Motivs für den Ersteller kein Gestaltungsspielraum mehr bestand, der eine eigene künstlerische Leistung begründen könnte.
Ein Gestaltungsspielraum bestand somit lediglich bei der Wahl der Perspektive, des Schattenwurfs und der Kontraste des computergenerierten Bildes. Diese Merkmale reichten jedoch nicht für die Annahme eines „künstlerischen Gestaltungsmaßes“. Es handele sich um gängige handwerkliche Effekte einer Bildbearbeitungssoftware. Die Auswahlentscheidung, die der Ersteller trifft, kann die notwendige Gestaltungshöhe noch nicht begründen.

Kein Lichtbildschutz des CAD-Produktbildes

Auch ein Schutz der CAD-Produktbilder nach § 72 UrhG im Rahmen des Lichtbildschutzes scheidet nach der Entscheidung des Kammergerichts aus. § 72 UrhG begründet ein Leistungsschutzrecht für Lichtbilder und Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden. Sein Schutzumfang entspricht weitgehend – mit Ausnahme der Schutzdauer – dem Schutz des Urheberrechts eines Werkes.

Ein Lichtbild setzt zwingend den Einsatz von strahlender Energie bei der Herstellung voraus und umfasst daher nur die klassischen Fotografien. Die Frage, die das KG Berlin in seiner Entscheidung daher zu beantworten hatte, war, ob CAD-Produktbilder als Erzeugnisse angesehen werden können, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden, und damit dem Schutz des § 72 UrhG unterfallen.

Dies verneint das KG Berlin. Für den Schutz nach § 72 UrhG kommt es nicht darauf an, dass die CAD-Produktbilder  im Ergebnis für den Betrachter wie echte Fotografien wirken. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes („Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden“) komme es allein auf den Herstellungsprozess an.
Betrachtet man den Herstellungsprozess, sei zudem die Vergleichbarkeit des technischen Prozesses der Herstellung entscheidend und nicht die Vergleichbarkeit für den Anwender. Unerheblich ist daher, dass der Schaffensprozess bei der Erstellung der Computergrafiken aus der Perspektive des Anwenders dem des Fotografierens stark ähnelt, da der Anwender ebenfalls über Merkmale wie Licht- und Schattenwurf, Ausrichtung des Gegenstands, Farbwahl etc. entscheiden müsse.

Die erforderliche und maßgebliche Vergleichbarkeit des technischen Prozesses der Herstellung sei zwischen der Fotografie und der computergenerierten Bilderstellung nicht gegeben. Zentrale Merkmale der Fotografie seien zum einen der Einsatz von strahlender Energie und zum anderen die Abbildung eines im Moment der Bilderschaffung vorhandenen, körperlichen Gegenstandes. Beide Merkmale seien bei den computergenerierten Produktbildern nicht gegeben. Diese bilden virtuelle Gegenstände ab und entstehen durch die Eingabe von Befehlen.

Auswirkungen auf die Praxis

Das Urteil des KG Berlin reiht sich in die bisherige Rechtsprechung zur Schutzfähigkeit von CAD-Bildern ein (siehe zuletzt LG Berlin, Urteil vom 20.6.2017 – 16 O 59/16). Solange das CAD-Bild nicht die für den Schutz als urheberrechtliches Werk erforderliche Gestaltungshöhe aufweist oder der Ersteller sich nicht auf eine andere Schutzrechtsposition berufen kann (z.B. Urheberrechtsschutz des abgebildeten Motivs), ist er damit schlechter gestellt als derjenige, der seine Produkte abfotografieren lässt.

Dass dieses Ergebnis im Zeitalter der digitalen Revolution etwas sonderbar anmutet, hat auch das KG Berlin erkannt. Es weist in seinem Urteil deutlich darauf hin, dass der Ruf nach einem Schutz der CAD-Bilder nachvollziehbar sei. Allerdings sieht er für einen solchen Schutz den Gesetzgeber in der Pflicht, da der eindeutige Wortlaut des § 72 UrhG eine Erstreckung des Schutzes auf CAD-Bilder nicht zulasse. Das KG Berlin hat eine Revision zum BGH zur Klärung der Frage der Schutzfähigkeit von CAD-Produktfotos nach § 72 UrhG zugelassen. Es bleibt demnach abzuwarten, ob dieser Fall bald beim Bundesgerichtshof landen wird.

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