Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz auch für die Medienbranche – Was ist jetzt zu tun?

von am 29. Juni 2022

Am 1. Januar 2023 tritt in Deutschland das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Kraft. Die Bundesregierung setzt damit einen weiteren Baustein ihrer Corporate-Social-Responsibility Strategie um und nimmt Unternehmen nunmehr in die Pflicht, ihre Lieferketten zu prüfen und für einen angemessenen Schutz von Menschenrechten und Umweltbelangen zu sorgen.

Für wen gilt das neue Gesetz?

Das Gesetz verpflichtet zunächst nur Unternehmen mit Sitz bzw. Zweigniederlassung in Deutschland mit mehr als 3000 ArbeitnehmerInnen im Inland. Diese Schwelle sinkt zum 1. Januar 2024 auf 1.000 ArbeitnehmerInnen.

Falls Sie diese Arbeitnehmerschwellen nicht erreichen, sollten Sie hier jedoch nicht aufhören zu lesen, denn mit hoher Wahrscheinlichkeit haben Sie Vertragsbeziehungen zu einem Unternehmen, welches in den Anwendungsbereich des Gesetzes fällt und werden damit indirekt doch mit den Anforderungen des Gesetzes in Berührung kommen.

Lieferkette – Relevanz für Dienstleistungsunternehmen?

Bei dem Begriff der Lieferketten denken wir oft an das klassisch produzierende Gewerbe wie die Textil- oder Automobilindustrie. Tatsächlich ist der Begriff der Lieferkette im Gesetz aber sehr weit formuliert und umfasst alle Schritte, die in einem Unternehmen zur Herstellung der Produkte oder zur Erbringung der Dienstleistungen des betreffenden Unternehmens erforderlich sind. Auch rein digitale Produkte und/oder Dienstleistungen haben damit eine „Lieferkette“:

Zur Lieferkette eines TV-Senders gehören z.B. auch alle Auftragsproduzenten.

Zur Lieferkette eines Verlages gehören auch alle Vertriebsplattformen, die für den digitalen Vertrieb genutzt werden.

Dem weiten Begriff der Lieferkette steht allerdings ein abgestufter Pflichtenumfang gegenüber, je nachdem wie viel Einfluss und Kontrolle ein Unternehmen auf Teile seiner Lieferkette hat. Im eigenen Geschäftsbereich und bei unmittelbaren Zulieferern (d.h. Vertragspartnern) stellt das Gesetz höhere Anforderungen an Unternehmen als bei mittelbaren Zulieferern, auf die meist keine direkte Einflussmöglichkeit besteht.

Was muss jedes Unternehmen nach dem neuen Gesetz tun?

Einfach gesagt, lassen sich die Pflichten nach dem neuen Gesetz in 4 Schritte einteilen:

  • Einrichtung eines angemessenen betriebsinternen Lieferkettenrisikomanagements
  • Identifikation von Risiken mittels Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen
  • Minimierung von Risiken bzw. Beendigung von Verstößen mittels Umsetzung von angemessenen Präventiv- bzw. Abhilfemaßnahmen
  • Dokumentations- und Berichtspflichten

Für die Schritte 1 und 4 gibt das Gesetz bestimmte konkrete Handlungspflichten auf. Bei Schritt 4 ist dabei insbesondere zu erwähnen, dass vom Gesetz erfasste Unternehmen einmal jährlich einen Bericht über die Erfüllung der Gesetzesvorgaben bei der zuständigen Behörde einreichen und zusätzlich online veröffentlichen müssen.

Die Schritte 2 und 3 verlangen eine „angemessene“ Umsetzung. Die Pflichten sind grundsätzlich zunächst nur im eigenen Geschäftsbetrieb und bei unmittelbareren Zulieferern umzusetzen. Analysen oder Maßnahmen in der tieferen Lieferkette (bei mittelbaren Zulieferern) werden hier vom Gesetz nur „anlassbezogen“ (d.h. sobald konkrete Risiken erkennbar werden) verlangt.

Bei der Durchführung der Risikoanalyse und den konkreten Maßgaben erlaubt das Gesetz den Unternehmen einen gewissen Ermessenspielraum. Unternehmen sind sogar angehalten zu priorisieren. Geschäftsbereiche mit einem hohen Risiko für Verletzungen von Menschenrechten, besonders relevante Zulieferer für den Unternehmenszweck oder Bereiche mit einem großen Einflussvermögen des Unternehmens sind daher vor weniger risikobehafteteren Bereichen oder Bereichen mit wenig Einflussmöglichkeit zu prüfen und Maßnahmen hier zuerst umzusetzen.

Wichtig ist, dass Ihre Entscheidungen transparent (und nachvollziehbar dokumentiert) auf Basis einer klaren Risikomanagementstrategie treffen. Denn:

Die gesetzlichen Pflichten haben Sie erfüllt, wenn Sie eine nachvollziehbare Priorisierung vorgenommen und angemessene Maßnahmen zur Reduzierung von Risiken in Ihrer Lieferkette umgesetzt haben. Sie haben keine Erfolgspflicht, sondern nur eine Risikominimierungspflicht.

Zuständige Behörde für die Überwachung der Umsetzung des Gesetzes ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Bei Verstoß gegen die Vorgaben des Gesetzes drohen empfindliche Bußgelder in sechsstelliger Höhe.

Mein Unternehmen fällt nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes. Was gilt dann?

Als kleines oder mittelständisches Unternehmen sind Sie sehr wahrscheinlich Teil der Lieferkette von größeren Unternehmen, die die Anforderungen nach dem neuen Gesetz erfüllen müssen. Daher werden gerade diese Vertragspartner zeitnah auf Sie zukommen und Informationen verlangen, wie Ihr Unternehmen mit den Themen Umweltschutz und Menschenrechte umgeht. Es kann daher sinnvoll sein, sich auch als kleines oder mittelständisches Unternehmen bereits jetzt mit den Schritten 1-3 zu beschäftigen. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Tendenz des deutschen und europäischen Gesetzgebers dahin geht, die Anwendungsschwelle der gesetzlichen Verpflichtung zukünftig weiter abzusenken.

Und wie fange ich jetzt an?

Am besten starten Sie mit der Umsetzung der Schritte 1 und 2:

Dazu gehört

  • die Schaffung bestimmter Infrastrukturen und Verantwortlichkeiten im Unternehmen;
  • Analyse der Vertragspartner und des eigenen Geschäftsbetriebs nach menschenrechtlichen Risken bzw. Umweltrisiken, insbesondere Abfrage des Status Quo;
  • die Erstellung einer Grundsatzerklärung des Unternehmens, die die Unternehmensstrategie im Umgang mit Risiken in der Lieferkette beschreibt
  • Erstellung eines Code of Conduct / Beschaffungs- bzw. Einkaufsrichtlinien, die die Erwartungen des Unternehmens an den Schutz von Menschenrechten und Umwelt im eigenen Geschäftsbereich und bei Vertragspartnern widerspiegeln

Danach sind Sie für Schritt 3 gerüstet und können sich überlegen, welche Maßnahmen für Ihr Unternehmen sinnvoll sind. Gegenüber Vertragspartnern ist eine angemessene Maßnahme zum Beispiel sicherlich die vertragliche Vereinbarung, Umwelt- und Menschenrechtsschutzstandards einzuhalten.

Sie haben noch Fragen oder wünschen sich eine Unterstützung bei der konkreten Umsetzung? Wir unterstützen Sie gerne!

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