MinisterpräsidentInnen machen Weg frei für Reform des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags

von am 25. Oktober 2022

Am 21. Oktober 2022 haben sich die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder auf eine Flexibilisierung des Auftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geeinigt. Gegenstand der Reform sind insbesondere die rechtlichen Rahmenbedingungen, die der öffentlich-rechtlichen Programmstruktur zugrunde liegen. Den Entwurf des Medienstaatsvertrags finden Sie hier. Dem Staatsvertrag müssen nun alle 16 Landesparlamente zustimmen. Der reformierte Auftrag soll zum 1. Juli 2023 in Kraft treten.

Der Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind Hör- und Fernsehprogramme sowie Online-Angebote (sog. Telemedienangebote), § 27 Abs. 1 Satz 1 MStV. Welche Fernsehprogramme die Rundfunkanstalten veranstalten, ergibt sich bisher enumerativ aus § 28 MStV. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist gesetzlich verpflichtet, die dort genannten Fernsehprogramme zu veranstalten. Ohne eine entsprechende gesetzliche Anpassung ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk weder zur Veranstaltung eines darüberhinausgehenden noch zur Einstellung eines gesetzlich beauftragten Fernsehprogramms berechtigt. Entgegen einem weit verbreiteten Irrglauben entscheidet damit, so die geltende Gesetzeslage, nicht der öffentlich-rechtliche Rundfunk, sondern der Gesetzgeber über die Zahl der öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme.

Reform des Auftrags verlagert Entscheidungskompetenzen auf die Rundfunkanstalten

Mit der Reform der §§ 26 ff. MStV legt der Gesetzgeber die Verantwortung über die Gestaltung der öffentlich-rechtlichen Programmstruktur weitgehend in die Hände der Rundfunkanstalten. Die gesetzliche Beauftragung der Fernsehprogramme tagesschau24, One, ARD-alpha, ZDFinfo, ZDFneo, PHOENIX und KI.KA soll entfallen. Gesetzlich beauftragt bleiben allein die Vollprogramme Das Erste, ZDF, die sog. „Dritten“ Programme sowie die Kultursender 3sat und arte. Die Rundfunkanstalten sollen künftig selbst entscheiden, ob sie diese Programme weiterbetreiben, einstellen, austauschen oder in ein Online-Angebot überführen möchten (§ 28 Abs. 5 MStV-E). Sollten die Anstalten von der Möglichkeit Gebrauch machen, Fernsehprogramme in Online-Angebote zu überführen, wird dies auch Auswirkungen auf den Bereich der Programmherstellung haben. Denn dann müssten öffentlich-rechtliche Inhalte stärker als bisher die technischen und interaktiven Möglichkeiten des Internets aufnehmen.

Neues Genehmigungsverfahren in § 32a MStV-E

Die Umsetzung programmstruktureller Maßnahmen unterliegt künftig einem neu in § 32a MStV-E geregelten Genehmigungsverfahren. Die Gremien der Anstalten (der jeweilige ARD-Rundfunkrat bzw. der ZDF-Fernsehrat) sind Herr dieses Verfahrens. Sie überprüfen die „Programmkonzepte“, mit denen ihnen die Intendanz die programmliche Maßnahme zur Genehmigung vorlegt. Im Verfahren haben die Anstalten unter anderem zu prüfen, ob das veränderte Angebot den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erfüllt und inwiefern es dem geänderten Nutzerverhalten entspricht. Sie müssen im Verfahren Dritten die Möglichkeit der Stellungnahme einräumen, die bei der abschließenden Genehmigungsentscheidung zu berücksichtigen sind. Die Genehmigungsentscheidung ist zu begründen. Die Wahrung der neuen Verfahrensvorgaben sowie die abschließende Entscheidungsbegründung unterliegt, ebenso wie das durchgeführte Verfahren, der Prüfung durch die Rechtsaufsicht.

Ausblick

Die Reform des Medienstaatsvertrags verleiht dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Flexibilität, die es benötigt, um in der Programmstruktur flexibel auf sich ändernde Nutzungsgewohnheiten und neue Herausforderungen in der digitalen Welt zu reagieren. Zugleich stellt die Reform die Anstalten vor neue Herausforderungen. Anders als bisher entscheiden die Anstalten künftig (weitgehend) selbst über die Ausgestaltung der öffentlich-rechtlichen Programmstruktur. Für die Gremien (Rundfunkrat und Fernsehrat), die abschließend über die Umsetzung programmlicher Maßnahmen entscheiden sollen, ist diese Aufgabe gänzlich neu. Zudem dürften die Verfahren vor den Rundfunkgremien unter einem gewissen öffentlichen Druck stehen. Denn künftig ist es Aufgabe der Anstalten, dem Beitragszahler die Notwendigkeit der nichtmehr verpflichtend zu veranstaltenden Fernsehprogramme zu erklären.

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