Nachweisgesetz ab 1. August 2022 – Der digitale Arbeitsvertrag ist tot!
Zum 1. August 2022 treten weitreichende Änderungen des Nachweisgesetzes in Kraft. Arbeitgeber müssen die wesentlichen Arbeitsbedingungen künftig sehr viel detaillierter schriftlich niederlegen; die digitale Form ist ausgeschlossen. Eine Prüfung und Anpassung der Arbeitsvertragsmuster sowie Überlegungen zum Umgang mit bestehenden Arbeitsverträgen sind dringend erforderlich. Verstöße können ein Bußgeld von bis zu 2.000 Euro nach sich ziehen.
Wir beantworten die wichtigsten Fragen von Arbeitgebern:
Was ist das Nachweisgesetz?
Das Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (hier abrufbar) existiert bereits seit 1995, fristete bislang aber eher ein Schattendasein.
Nach dem Nachweisgesetz war der Arbeitgeber auch bislang schon verpflichtet, die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich niederzulegen und dem Arbeitnehmer eine unterzeichnete Niederschrift spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen.
Verstöße gegen das Nachweisgesetz blieben bislang aber de facto ohne Sanktion. Den meisten Arbeitgebern war das Gesetz deshalb unbekannt.
Warum gibt es Änderungen?
Der deutsche Gesetzgeber war unter Zugzwang. Die Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union vom 20. Juni 2019 (hier abrufbar) musste von den Mitgliedstaaten bis 31. Juli 2022 umgesetzt werden.
Am 23. Juni 2022 hat der Bundestag deshalb das Gesetz zur Änderung des Nachweisgesetzes verabschiedet, das zum 1. August 2022 in Kraft tritt.
Was ist neu?
Der Katalog der schriftlich niederzulegenden Arbeitsbedingungen wurde deutlich erweitert. Hierzu zählen insbesondere
- die Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts (einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie andere Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung),
- sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen,
- sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit,
- ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildungen,
- sofern vereinbart, die Möglichkeit der Wahl des Arbeitsortes durch den Arbeitnehmer,
- die vereinbarte Arbeitszeit einschließlich vereinbarter Ruhepausen und Ruhezeiten,
- bei Zusage einer betrieblichen Altersversorgung der Name und die Anschrift des Versorgungsträgers,
- das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage.
Die Fristen, innerhalb derer die schriftlichen Arbeitsbedingungen dem Arbeitnehmer auszuhändigen sind, wurden verkürzt. Bestimmte Arbeitsbedingungen müssen bereits am ersten Tag der Arbeitsleistung nachgewiesen sein.
Verstöße gegen das Nachweisgesetz sind künftig bußgeldbewehrt.
Müssen Arbeitsverträge jetzt zwingend schriftlich abgeschlossen werden?
Das Nachweisgesetz schreibt auch künftig nicht vor, dass der Arbeitsvertrag selbst zwingend schriftlich abgeschlossen sein muss. Ein Arbeitsvertrag kann theoretisch auch weiterhin mündlich per Handschlag (ausgenommen Befristungen) formwirksam geschlossen werden. Es müssten dann aber anschließend die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich niedergelegt und dem Arbeitnehmer ausgehändigt werden.
Natürlich ist es in der Praxis Unsinn, einen Arbeitsvertrag zunächst digital zu unterzeichnen und anschließend die Arbeitsbedingungen in einem weiteren Dokument noch einmal mit der Originalunterschrift des Arbeitgebers zu versehen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Vielmehr wird mit einem schriftlichen Arbeitsvertrag gleichzeitig der Nachweispflicht Genüge getan. De facto ist der digitale Arbeitsvertrag damit tot.
Das ist sehr bedauerlich. Denn die zugrundeliegende Richtlinie hätte die Möglichkeit des Nachweises der Arbeitsbedingungen in elektronischer Form ausdrücklich vorgesehen. Der deutsche Gesetzgeber hat hiervon aber nicht Gebrauch gemacht und damit einen wichtigen Schritt in Richtung der vielbeschworenen Digitalisierung verpasst.
Was gilt für bestehende Arbeitsverhältnisse?
Bei Arbeitsverhältnissen, die bereits vor dem 1. August 2022 bestanden, ist dem Arbeitnehmer auf sein Verlangen spätestens am siebten Tag nach Zugang der Aufforderung beim Arbeitgeber die Niederschrift auszuhändigen.
Was passiert bei Verstößen?
Ein Verstoß gegen das Nachweisgesetz ist künftig eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße von bis zu 2.000 Euro geahndet werden kann.
Was müssen Arbeitgeber nun ganz konkret tun?
In einem ersten Schritt müssen Arbeitgeber Ihre Arbeitsvertragsmuster prüfen und aktualisieren lassen, um für Neueinstellungen ab dem 1. August 2022 gewappnet zu sein.
Dass der Arbeitsvertrag bereits jetzt den strengen Anforderungen des neuen Nachweisgesetzes genügt, ist nahezu ausgeschlossen. Insbesondere die Angabe der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage dürfte bislang in den wenigsten Arbeitsverträgen zu finden sein. Es besteht de facto Handlungsbedarf bei nahezu allen Arbeitgebern.
Hinsichtlich bestehender Arbeitsverhältnisse muss der Arbeitgeber zwar nicht proaktiv, sondern nur auf entsprechende Aufforderung der Arbeitnehmer:innen tätig werden. Es empfiehlt sich aber, bereits entsprechende Mitteilungen vorzubereiten, um auf eine Aufforderung innerhalb von einer Woche reagieren zu können.
Ganz generell sollten Arbeitgeber sich überlegen, ob sie das Nachweisgesetz nicht als willkommenes „Sprungbrett“ für eine möglicherweise schon länger geplante Aktualisierung und Vereinheitlichung aller Arbeitsverträge nutzen und auch bestehende Arbeitsverträge anpassen möchten. Dies ist allerdings nur im Einvernehmen mit den Arbeitnehmer:innen möglich.