Neues zum Widerrufsrecht und Informationspflichten im Fernabsatz
Die Richtlinie (EU) 2019/2161 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinien 98/6/EG, 2005/29/EG und 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union (alias „Omnibus-Richtlinie“ alias „Modernisierungs-Richtlinie“) hat eine ganze Reihe von europäischen Richtlinien zum Verbraucherschutz geändert und ergänzt.
Zur Umsetzung der Richtlinie hat der deutsche Gesetzgeber Änderungen vor allem im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und im Einführungsgesetz zum BGB (EGBGB) vorgenommen. Diese Änderungen und die vollständige Neufassung der Preisangabenverordnung (PAngV) treten am 28. Mai 2022 in Kraft.
Überblick über den Inhalt der Richtlinie
Manche der neuen Regelungen betreffen nur die Betreiber von Online-Marktplätzen, andere betreffen alle Unternehmer, deren Angebote sich (auch) an Verbraucher im Sinne des § 13 BGB richten.
- Betreiber von Online -Marktplätzen müssen darüber informieren, ob ein Angebot von einem privaten oder gewerblichen Verkäufer stammt. Nehmen sie eine Sortierung der angezeigten Angebote (Ranking) vor, müssen sie die dafür angewendeten Hauptparameter und deren relative Gewichtung offenlegen.
- Für alle Unternehmen gelten die Informationspflichten bei der Angabe von Preisen. An der wichtigsten Pflicht, im Fernabsatz den Bruttopreis zu nennen und darauf hinzuweisen, dass darin die Mehrwertsteuer enthalten ist, ändert sich nichts. Neu sind vor allem konkrete Vorgaben für die Werbung mit Preissenkungen, um irreführende Werbung mit einem gesenkten Preis, der erst kurz zuvor erhöht worden war, zu verhindern.
- Ebenfalls für alle Unternehmer relevant ist das Widerrufsrecht des Verbrauchers, das bei Fernabsatzverträgen (inklusive E-Commerce) und bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen besteht. Hier und bei den allgemeinen Informationspflichten sind kleinere Änderungen umzusetzen.
Der zuletzt genannte Punkt und die „Hausaufgaben“, die sich daraus ergeben, werden im Folgenden etwas näher dargestellt.
Als Sanktionen für Verstöße gegen Verbraucherschutzvorschriften gibt es nunmehr auch Geldbußen sowie das Recht des Verbrauchers, den Vertrag zu beenden.
Allgemeine Informationspflichten für Unternehmer
Wie bisher muss der Unternehmer die in Art. 246a § 1 EGBG im Einzelnen aufgeführten Informationen vor Vertragsschluss und in der Vertragsbestätigung bereitstellen.
Dazu gehören seine Identität und bestimmte Kontaktdaten.
- Bisher waren eine Faxnummer und eine E-Mail-Adresse nur „gegebenenfalls“ anzugeben. Jetzt wird die Angabe einer E-Mail-Adresse verpflichtend, die Telefaxnummer hat der Gesetzgeber dagegen gestrichen.
- Ausdrücklich genannt werden nunmehr Online-Kommunikationsmittel, zum Beispiel ein Kontaktformular. Nennt der Unternehmer ein solches Online-Kommunikationsmittel, muss er sicherstellen, dass der Verbraucher seine Korrespondenz über das Online-Kommunikationsmittel mit Datum und Uhrzeit speichern kann. Der Verbraucher soll in die Lage versetzt werden, dass er seine Nachrichten einer E-Mail vergleichbar dokumentieren kann.
Wenn der dem Verbraucher angebotene Preis durch automatische Entscheidungsfindung personalisiert wird, muss er nunmehr darüber informiert werden.
Der schon bisher verpflichtende Hinweis auf gesetzliche Mängelrechte für Waren gilt nunmehr auch für digitale Inhalte und Dienstleistungen.
Informationen zur Kompatibilität und Interoperabilität sind sinnvollerweise mehr nur bei digitalen Inhalten erforderlich, sondern auch bei digitalen Dienstleistungen und bei Waren mit digitalen Elementen.
Widerrufsrecht
Dass der Gesetzgeber das Telefax für nicht mehr zeitgemäß hält, dafür die Angabe einer E-Mail-Adresse verpflichtend ist, gilt auch für die Informationspflichten beim Widerrufsrecht.
- Im amtlichen Muster für die Widerrufsbelehrung wird daher bei den Beispielen für eine „eindeutige Erklärung“ zur Erklärung des Widerrufs das Telefax gestrichen. Dafür muss der Unternehmer auch hier verpflichtend eine Telefonnummer und eine E-Mail-Adresse angeben.
- Auch in dem Muster-Widerrufsformular, das der Unternehmer zwingend bereitstellen muss, muss er jetzt seine E-Mail-Adresse nennen (für eine telefonische Widerrufserklärung ist das Formular natürlich nicht relevant).
Neu geregelt wurde auch das Erlöschen des Widerrufsrechts bei Verträgen über die Bereitstellung unkörperlicher digitaler Inhalte (zum Beispiel Download, Zugang zu Audio- oder Video-Streams oder zu einer Online-Datenbank): Wie bisher muss der Verbraucher ausdrücklich zugestimmt haben, dass die Vertragsausführung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnen soll, und bestätigen, dass er dadurch mit Beginn der Vertragsausführung (Bereitstellung des Inhalts) das Widerrufsrecht verliert. Künftig erlischt das Widerrufsrecht aber nur, wenn dem Verbraucher diese Erklärung auch „auf einem dauerhaften Datenträger“ bestätigt wurde, typischerweise in der per E-Mail übermittelten Vertragsbestätigung.
Konsequenz für die Praxis
Je nachdem, welche Angebote ein Unternehmer im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen vertreibt, ist die eine oder andere Neuerung für ihn relevant.
Sämtliche Unternehmer müssen aber zum 28. Mai 2022 die Texte Ihrer Widerrufsbelehrungen ändern (Streichung des Telefax) und prüfen, ob sie in den AGB und der Widerrufsbelehrung ihre Telefonnummer und E-Mail-Adresse angeben. Die neue Fassung der Anlage 1 zum EGBGB mit der Vorlage für die Muster-Widerrufsbelehrung und das Muster-Widerrufsformular mit Gestaltungshinweisen finden Sie hier.