Designer-Urne als urheberrechtlich geschütztes Werk

von am 23. Juli 2015

Die „Geburtstagszug“-Entscheidung“ des BGH macht sich langsam, aber sicher bemerkbar: Das OLG Köln hat einer Urne, die als Motiv einen röhrenden Hirsch vor abendlicher Bergkulisse zeigt, urheberrechtlichen Schutz zugesprochen und einen nachahmenden Konkurrenten verurteilt. Das Urteil könnte der Startschuss dafür sein, Nachahmungen im Designbereich vermehrt mit dem Mittel des Urheberrechts statt des Design- bzw. Geschmacksmusterrechts anzugreifen.

Der Fall: Die Klägerin stellt Designer-Urnen in sog. Airbrush-Mischtechnik her. Sie ging gegen die Beklagte wegen der Nachahmung diverser Urnen aus ihrem Sortiment vor. Das OLG Köln hatte (nur) noch über eine Urne der Beklagten zu befinden, die – ähnlich der der Klägerin – als Motiv einen Hirsch in Abendstimmung vor einer Bergkulisse zeigte.

Die Klägerin machte urheberrechtliche Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Verpflichtung zum Schadenersatz geltend.

Die Beklagte wandte ein, die Urne sei schon nicht urheberrechtlich geschützt. Darüber hinaus liege keine zustimmungsbedürftige Bearbeitung, sondern eine freie Benutzung vor. Im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch auf Feststellung der Verpflichtung zum Schadenersatz wandte sie fehlendes Verschulden ein, da vor der Veröffentlichung der sog. „Geburtstagszug“-Entscheidung des BGH (BGH vom 13. November 2013, Az. I ZR 143/12 – Geburtstagszug) nicht erkennbar gewesen sei, dass die Urne der Klägerin möglicherweise urheberrechtlich geschützt sei.

Das OLG Köln stellte für die Beurteilung der Schutzfähigkeit der klägerischen Urne unter Heranziehung der Grundsätze aus der „Geburtstagszug“-Entscheidung des BGH darauf ab, ob die Urne über eine individuelle Prägung verfügt, „deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen Leistung“ gesprochen werden kann“. Diese Frage bejahte es, die erforderliche Schöpfungshöhe liege vor. Das OLG begründete das damit, dass es sich „nicht lediglich um die Zusammenstellung vorbekannter Motive“ handle: Von dem von der Beklagten insofern vorgelegten Bildmaterial – über 400 Abbildungen – kämen vom Gesamteindruck her nur zwei Abbildungen dem Motiv der Klägerin nahe; auch insofern stellte das OLG jedoch maßgebliche Unterschiede fest. Zudem wies das Gericht darauf hin, dass die Klägerin nicht Schutz für eine grafische Darstellung an sich, sondern für eine Urne beanspruche, die Beklagte aber keine einzige Urne hätte aufzeigen können, die mit einem auch nur entfernt ähnlichen Motiv versehen sei.

Weiter ging das OLG Köln davon aus, dass die Beklagte die Urne der Klägerin nicht in freier Benutzung nachgeahmt habe, sondern eine unfreie Bearbeitung vorliege. Die Urne der Klägerin weise ein über dem unteren Rand der kleinen Münze liegendes Maß an Originalität auf, weshalb ihre Züge gegenüber der Gestaltung der Beklagten nicht ohne weiteres verblassten. Es folgte dem Landgericht in seiner Einschätzung, dass der Urne der Beklagten keine eigenpersönlichen schöpferischen Züge zukämen, hinter der die schöpferischen Elemente der von der Klägerin verwendeten Gestaltung zurückträten.

Schließlich nahm das OLG Köln auch Verschulden seitens der Beklagten an. Verschulden sei bereits dann gegeben, wenn sich der Verletzer erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt hat, in dem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit seines Verhaltens in Betracht ziehen muss. Diese Konstellation läge hier vor, weil der BGH es schon im Jahre 2011 in seiner Entscheidung „Seilzirkus“ als zweifelhaft bezeichnet habe, ob an der bisherigen Rechtsprechung zu den gesteigerten Anforderungen an die Schöpfungshöhe für Werke der angewandten Kunst festgehalten werden könne. Spätestens ab 2011/2012 sei für die Beklagte daher zumindest erkennbar gewesen, dass sie sich mit ihrem Produktprogramm im Grenzbereich des Zulässigen bewege.

Dem Urteil des OLG Köln dürfte, falls es vom BGH bestätigt wird, große Bedeutung für die Praxis zukommen:

Es zeigt zum einen, dass weit mehr Designobjekte als bisher in den Genuss urheberrechtlichen Schutzes kommen können, wenn man die Rechtsprechung des BGH aus der Entscheidung „Geburtstagszug“ ernst nimmt. Denn dann ist primär solchen Werken Schutz zu versagen, bei denen die konkrete Gestaltung technisch oder durch den Gebrauchszweck vorgegeben ist. Gerade bei Designs, bei denen der Aspekt der Formgebung eine eher untergeordnete Rolle spielt, wird das aber selten der Fall sein.

Darüber hinaus sind die Ausführungen zum Verschulden von weitreichender Bedeutung. Sollte sich der BGH der Auffassung des OLG Köln anschließen, dann dürften in den nächsten Jahren zahlreiche Schadenersatzverfahren wegen der Verletzung von Rechten an Werken der angewandten Kunst die Gerichte beschäftigen.

In der Zusammenschau könnte das Urteil des OLG Köln der Startschuss dafür sein, Nachahmungen im Designbereich statt mit dem Mittel des Geschmacksmuster- oder des Wettbewerbsrechts vermehrt mit dem des Urheberrechts anzugreifen.

Das Urteil des OLG Köln finden Sie hier. Eine Besprechung der Entscheidung von mir finden Sie in der ZUM 2015, 800.

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