Panoramafreiheit und Drohnenaufnahmen
Nach § 59 Abs. 1 UrhG dürfen Werke, die bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen liegen, ohne Zustimmung des Urhebers aufgenommen und diese Aufnahmen genutzt werden (sogenannte Panoramafreiheit). Dies gilt unzweifelhaft, wenn die Aufnahmen von öffentlichen Orten aus mit einer Kamera angefertigt werden. Umstritten ist seit jeher, ob Hilfsmittel wie Leitern für die Aufnahme des Werkes genutzt werden dürfen. Der BGH hat dies bislang abgelehnt (GRUR 2017, 798 Rn. 35).
In jüngerer Zeit mussten sich Gerichte wieder verstärkt dem Einsatz von Hilfsmitteln widmen, da Drohnen für Luftaufnahmen von Fotografen eingesetzt werden. Überraschenderweise hat das LG Frankfurt Ende 2022 den Ein-satz von Drohnen gebilligt (MMR 2021, 266). Nunmehr musste sich auch das OLG Hamm mit der Frage auseinandersetzen, ob Drohnenaufnahmen ohne Zustimmung des Urhebers gemäß § 59 UrhG genutzt werden dürfen (Urteil vom 27.04.2023, Az. 4 U 247/21). Das OLG Hamm hat dies unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des BGH abgelehnt.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Verwertungsgesellschaft und nimmt die Rechte ihrer Urheber war. Einige ihrer Urheber haben Installationen auf Halden im Ruhrgebiet errichtet. Die Beklagte hat Drohnenaufnahmen dieser Installationen in Büchern veröffentlicht, ohne bei der Klägerin oder den Urhebern um Erlaubnis zu fragen. Die Klägerin verlangte aus diesem Grund Auskunft über die Höhe der Buchauflagen, um die Nutzung zu lizenzieren. Die Beklagte erteilte die Auskunft, lehnte aber jedwede Zahlung unter Verweis auf die Panoramafreiheit nach § 59 UrhG ab. Die Klägerin verlangte daraufhin über ihren Anwalt Unterlassung der Nutzung, Schadensersatz samt Verletzerzuschlages von 100% als auch die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Die Beklagte blieb bei ihrer Auffassung, weshalb die Klägerin Klage einreichte.
Entscheidung
Das OLG Hamm gab der Klägerin mit Ausnahme der Gewährung eines Verletzerzuschlags Recht. Letzteres lehnte das Gericht unter dem Hinweis ab, dass die Urheber ausreichend genannt seien und damit kein Raum für einen Verletzerzuschlag wegen fehlender Urhebernennung nach § 13 UrhG sei.
Interessanter sind die Ausführungen des Gerichts zur Frage, ob die Nutzung der Drohnenaufnahmen nach § 59 Abs. 1 UrhG auch ohne Zustimmung der Urheber gerechtfertigt sei.
Das Gericht verneinte dies. Es hob insbesondere hervor, dass die Erstellung von Aufnahmen durch Drohnen nicht an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen gemäß § 59 Abs. 1 UrhG erfolge. Zwar handele es sich bei den öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen nur um eine beispielhafte Aufzählung, weshalb auch Wasserflächen hierunter fallen können. Geschützt sei aber nur der Blick, wie er sich dem allgemeinen Publikum bietet. Nicht der Blick von einem für das allgemeine Publikum unzugänglichen Ort. Damit fielen Aufnahmen aus Perspektiven, die der Allgemeinheit nicht zugänglich sind, nicht unter § 59 UrhG (vgl. BGH, GRUR 2003, 1035, 1037 – Hundertwasser-Haus).
Dies müsse auch für den Einsatz besonderer Hilfsmittel wie Leitern, Drohnen oder die Entfernung eines Sichtschutzes gelten, da diese eine andere Perspektive eröffnen (zu Leitern BGH, Urteil vom 27.04.2017 – Az. I ZR 247/15 – AIDA Kussmund). Unter Berücksichtigung der Interessen des Urhebers müsse es sich bei § 59 Abs. 1 UrhG um eine Perspektive handeln, die sich vom Boden aus oder einem mit dem Boden dauerhaft und fest verbundenen Gegenstand aus ergebe. Dies seien Straßen, Wasserwege, Aussichtstürme etc. Nicht erfasst seien daher Lufträume, da der Mensch sich nicht durch naturgegebene Fortbewegungsmöglichkeiten wie Schwimmen, Gehen, Klettern usw. dahin bewegen könne. Daher sei auch eine Drohne solch ein Hilfsmittel, dass nicht von § 59 UrhG erfasst werde.
Unionsrecht widerspreche dieser Auslegung nicht. Vielmehr stehe diese Auslegung mit dem Wortlaut des Art. 5 Absatz 3 lit. h) der RL 2001/29/EG in Einklang und zum Schutz des Urhebers fordere Art. 5 Absatz 5 der RL 2001/29/EG geradezu diese enge Auslegung (a. A. LG Frankfurt MMR 2021, 266).
Mangels Rechtfertigung der Nutzung der Fotos mit den Installationen durch § 59 UrhG wurde die Beklagte auf Unterlassung, Zahlung von Schadensersatz und Erstattung von Rechtsanwaltskosten verurteilt.
Auswirkungen für die Praxis
Es ist zwingend angezeigt, dass die Entscheidung des OLG Hamm durch den BGH und später wohl auch durch den EuGH überprüft wird. Die zugelassene Revision hat die Beklagte eingelegt.
Zwar hat der BGH bereits ausgeurteilt, dass Hilfsmittel im Rahmen des § 59 UrhG problematisch sind. Angesichts des technischen Fortschritts wird er sich aber damit auseinanderzusetzen haben, ob er seine Sichtweise beibehält oder abändert. Hierbei wird er sich auch mit den Argumenten des LG Frankfurt (MMR 2021, 266) auseinandersetzen müssen. Das LG Frankfurt führt aus, dass eine richtlinienkonforme Auslegung des § 59 UrhG zwingend den technischen Fortschritt berücksichtigen müsse. Hierbei sei zu beachten, dass das im LuftVG geregelte Verbot von Fotoaufnahmen aus Luftfahrzeugen im Luftraum nicht mehr gelte. Würde man nun diese Aufnahmen nicht durch § 59 UrhG erfasst sehen und Nutzungen auf Social Media erfolgen, so drohten Abmahnungen. Weiter gäbe es keinen sachlich gerechtfertigten Grund dafür, § 59 UrhG im Fall von Aufnahmen von Wasserfahrzeugen zuzulassen, nicht aber aus Luftfahrzeugen.
Es muss also abgewartet werden wie der BGH und ggf. der EuGH Bildaufnahmen durch Drohnen wertet. Einstweilen ist mangels höchstrichterlicher Entscheidung die Nutzung der Aufnahme eines Werkes, die durch eine Drohne angefertigt wurde, ohne Zustimmung des Urhebers oder anderen Berechtigten ein Risiko. Dies mag nach einer Entscheidung des BGH anders aussehen.