Reichweite des Merchandisingrechts an einer fiktiven Figur

von am 19. November 2020

STAR WARS, BOB DER BAUMEISTER und HARRY POTTER: die Helden des Lieblingsbuches, eines populären Kinofilms oder einer erfolgreichen Fernsehserie finden sich auf mannigfaltigen Produkten wieder. Mit der Vergabe und der Reichweite der erforderlichen, sogenannten Merchandisingrechte an einer fiktiven Figur hat sich das Landgericht Köln befasst (Urteil vom 15.10.2020, Az. 14 O 158/19).

Sachverhalt

Der Sachverhalt ist komplex, spannt sich über mehrere Jahrzehnte und stellt sich verkürzt wie folgt dar:

Die Klägerin befasst sich unter anderem mit dem Erwerb und der Auswertung von Urheberrechten. Insbesondere vermarktet und vergibt sie Merchandisingrechte an Figuren von Buch-, Film und Fernsehproduktionen für die Herstellung und den Vertrieb von Lizenzprodukten.

Die Beklagte ist ein Verlag, die unter anderem Kinderbücher verlegt und vertreibt. Sie verlegt seit den 1980er Jahren Bücher der populären Kinderbuch-Reihe „Bobo Siebenschläfer“. In den zwischen dem Autor und der Beklagten geschlossenen Verlagsverträgen wurde der Beklagten regelmäßig auch das Merchandisingrecht eingeräumt. Auf Wunsch des Autors wurde 2006 jedoch u.a. das Merchandisingrecht an Band 1 bis 3 der Buchreihe an den Autor zurückübertragen.

2008 schloss der Autor mit der Beklagten einen neuen Verlagsvertrag für Band 4 der Buchreihe, in dem das Merchandisingrecht an Band 4 dem Verlag eingeräumt wurde.

Um das Jahr 2010 entstanden Pläne, der Figur „Bobo Siebenschläfer“ eine neue, modernisierte optische Gestaltung zu geben. Damit einher gingen Planungen, Geschichten der Figur „Bobo Siebenschläfer“ zu verfilmen. Der Autor vergab dafür die Rechte zur Verfilmung an eine Produktionsfirma. Mit dem Verfilmungsvertrag wurde der Produktionsfirma das exklusiv Merchandisingrecht an der Figur eingeräumt.

Im Jahr 2012 kam es zu Gesprächen zwischen der Beklagten und dem Autor über die Pläne zur Verfilmung. Um zu vermeiden, gegenüber der Produktionsfirma vertragsbrüchig zu werden, wünschte der Autor eine Klärung der Rechtesituation. Der Autor scheint dabei der Beklagten die Interessenlage transparent dargestellt zu haben. In der Folge schlossen die Beklagte und der Autor einen weiteren Vertrag; mit diesem wurden einige Rechtspositionen an „Bobo Siebenschläfer“ ausdrücklich dem Autor zurückübertragen. Darin berücksichtigt war das Merchandisingrecht, jedoch erneut ausdrücklich nur an den Bänden 1 bis 3.

In der Folgezeit entstanden neue Illustrationen an der Figur „Bobo Siebenschläfer“. Diese wurden für die Verfilmung genutzt. An der Produktion der Verfilmung beteiligte sich die Klägerin. Sie erwarb in diesem Rahmen von der Produktionsfirma die Merchandisingrechte an der Figur auf exklusiver Basis.

Im Jahr 2014 schlossen Klägerin und Beklagte einen Vertrag, mit dem die Beklagte das Recht erwarb, die neuen Illustrationen von „Bobo Siebenschläfer“ für die Bücher zu nutzen. Der Vertrag enthielt eine ausführliche Präambel, in der das Merchandisingrecht an der Figur als exklusiv der Klägerin zustehend dargestellt wurde. In ihr wurde auch auf den zwischen der Beklagten und dem Autor im Jahr 2012 geschlossenen Vertrag Bezug genommen.

Im Jahr 2019 lancierte die Beklagte Merchandising-Produkte, welche die „alte“ optische Gestaltung der Figur „Bobo Siebenschläfer“ nutzten. Hiergegen wehrte sich die Klägerin. Sie berief sich darauf, Inhaberin der exklusiven Merchandisingrechte an der Figur zu sein. Die Beklagte hingegen berief sich darauf, Inhaberin von Merchandisingrechten an der „alten“ optischen Gestaltung der Figur zu sein. Diese seien nicht vollständig auf den Autor zurückübertragen worden.

Entscheidung

Das Landgericht hat der Klägerin Recht gegeben. Die Beklagte wurde unter anderem dazu verurteilt, die Nutzung der Figur „Bobo Siebenschläfer“ zu unterlassen.

Hierzu führte das Gericht aus, dass es sich bei der Figur um ein Werk der bildenden Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG handele. Der Werkschutz sei dabei nicht auf die konkrete zeichnerische Darstellung beschränkt, sondern umfasse alle denkbaren Darstellungen und Gestaltungen der Figur. Daher wäre es nicht angezeigt, zwischen der „alten“ optischen Gestaltung und der „neuen“ optischen Gestaltung zu differenzieren. Die „neue“ Gestaltung wäre stets als eine urheberrechtliche Bearbeitung der „alten“ Gestaltung zu werten; ebenso wie umgekehrt die „alte“ Gestaltung stets als eine urheberrechtliche Bearbeitung der „neuen“ Gestaltung zu werten wäre. Entscheidend sei damit allein, ob exklusive Rechte an dieser Figur bestünden.

Darüber hinaus führte das Gericht aus, dass es sich bei dem Merchandisingrecht um ein selbstständiges Nutzungsrecht am Urheberrecht handelt, das gesondert erworben werden kann und muss.

Nach ausführlicher Auslegung aller vorliegenden Vertragsdokumente und Unterlagen kam das Landgericht zu der Überzeugung, dass die Klägerin das Merchandisingrecht an der fiktiven Figur auch wirksam vom Autor erworben hatte. Der Autor war somit in der Lage, über das Merchandisingrecht zu verfügen. Denn soweit der Autor das Merchandisingrecht in den Verlagsverträgen an die Beklagte eingeräumt hatte, wurde dieses mit den Verträgen von 2006 und 2012 vollständig zurückübertragen. Diese Rückübertragung wirke – anders als die Beklagte behaupte – nicht nur begrenzt für die Bücher und Geschichten der Bände 1-3. Im Gegenteil wirke die Rückübertragung des Merchandisingrechts für die Figur als Ganzes. Eine Differenzierung nach Büchern und Geschichten sei sinnvollerweise nicht möglich. Die Figur sei schließlich losgelöst von den Geschichten in jeder denkbaren Darstellung geschützt und könne in einer Vielzahl von Produktionen wie z.B. Büchern oder Episoden einer TV-Serie vorkommen.

Da also die Klägerin exklusive Merchandisingrechte an der Figur „Bobo Siebenschläfer“ erworben hatte, war sie auch in der Lage, andere von ihrer Nutzung auszuschließen. Vor diesem Hintergrund stellte die Nutzung der „alten“ optische Gestaltung des „Bobo Siebenschläfer“ auf den Merchandising-Produkten der Beklagten eine rechtswidrige Übernahme der Figur dar. Entsprechend gab das Landgericht den Forderungen der Klägerin statt.

Praxishinweis

„Asterix bleibt Asterix“ – diese Erkenntnis ist nicht neu. Eine fiktive Figur, die sich erkennbar durch konkrete, eigentümliche Wesens- und Charaktermerkmale auszeichnet, ist als solche in allen denkbaren Darstellungen geschützt. Der urheberrechtliche Schutz bleibt auch dann bestehen, wenn die Figur ein „facelift“ bekommt – zumindest, solange die konkreten, eigentümliche Wesens- und Charaktermerkmale der Figur erhalten bleiben.

Insofern erscheint es konsequent, dass sich das Landgericht Köln an dem Wesen des Merchandisingrechts in Bezug auf die fiktive Figur orientiert. Und es liegt sicherlich richtig, wenn es auf die quasi ubiquitären Eigenschaften der Figur verweist, also darauf, dass – urheberrechtlich betrachtet – die Figur „Bobo Siebenschläfer“ in jeder Geschichte über „Bobo Siebenschläfer“ zwangsläufig die gleiche sein muss.

Das bedeutet unser Ansicht nach jedoch nicht, dass ein Rechteinhaber das Merchandisingrecht nur geschlossen für eine Figur vergeben kann! Im Gegenteil kann das Recht durchaus differenziert vergeben werden. Das erfordert jedoch eine sorgfältige Rechtevergabe und eine präzise Formulierung der Lizenzverträge: solange nicht pauschal ein exklusives Merchandisingrecht an einer Figur vergeben wird, sondern ein klar abgegrenztes, nicht exklusives Merchandisingrecht zur Nutzung ausgewählter Gestaltungen an der Figur, werden auch letztere Gestaltungen weiterhin möglich und durchsetzbar sein. Schließlich gelten auch im Urheberrecht die Grundprinzipien der Vertragsfreiheit und der Privatautonomie.

Dies wird deutlich, betrachtet man den Weg, auf dem das Landgericht zu seinem Urteil gelangt. Es stützt sich auf eine Auslegung der vorliegenden Vertragsdokumente und Unterlagen. Erstaunlicherweise setzt es sich dabei über den klaren, ausdrücklichen Wortlaut der zwischen dem Autor und der Beklagten 2006 und 2012 geschlossenen Vereinbarungen hinweg! Diese haben schließlich die Rückübertragung explizit auf „Band 1 bis 3“ begrenzt. Zur Überwindung dieser Hürde bezieht sich das Landgericht auf (mutmaßlich) eindeutige Aussagen, die zwischen den Beteiligten und in den Vertragsdokumenten getroffen wurden. Und in der Tat muss sich die Beklagte die Frage gefallen lassen, wieso trotz der ausdrücklichen, im Vorfeld mutmaßlich transparenten „Rechteklärung“ im Jahr 2012 das Merchandisingrecht an der Figur dann doch nicht vollständig an den Autor zurückübertragen werden sollte. Ebenso muss sich die Beklagte die Aussagen des 2014 mit der Klägerin geschlossenen Vertrages über die neuen Illustrationen an „Bobo Siebenschläfer“ entgegenhalten lassen. Darin wurde das exklusive Merchandisingrecht an der Figur ausdrücklich als pauschal der Klägerin zugewiesen genannt.

Dennoch erscheint uns die Bewertung des Landgerichts nicht zwingend. Anstatt der Beklagten alle Rechte ab- und der Klägerin diese zuzuerkennen, hätte die Auslegung durchaus auch zu dem Ergebnis führen können, dass die Rechte an der Figur eben doch nicht vollständig bzw. exklusiv von der Beklagten an den Autor zurück- und vom Autor auf die Klägerin übertragen wurden. Ein anderes Auslegungsergebnis ist durchaus denkbar, namentlich, dass die Klägerin angesichts des mutmaßlichen Willens aller Beteiligten eben nur nicht-exklusive Rechte an der Figur „Bobo Siebenschläfer“ erwerben konnte bzw. sollte. Es bleibt also abzuwarten, ob der Rechtsstreit in die Berufung geht.

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