Simply The Fälschung – Teil III: Werbung mit prominenten Personen für Tribute Shows
Tribute Shows, bei denen Künstlerinnen und Künstler Musikikonen von Tina Turner über Michael Jackson bis Elton John mimen, erfreuen sich großer Beliebtheit. Dass diese Shows als reine Lookalike-Konzerte von der Kunstfreiheit geschützt werden und auch ohne Autorisierung der prominenten Person gespielt werden dürfen, ist rechtlich geklärt. Unklar war aber lange, in welcher Form man als veranstaltende Produzentin für solcherlei Auftritte werben darf. Diese Frage landete vor deutschen Gerichten, nachdem Tina Turner ein Klageverfahren gegen die Bewerbung der Tribute-Show „Simply The Best – Die Tina-Turner-Story“ angestrengt hatte, für die mit ihrem Namen und ihrem Bildnis (genauer: einer Abbildung ihrer als Tina Turner zurechtgemachten Doppelgängerin) geworben wurde. Nachdem die beiden Vorinstanzen in Köln zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen, bedurfte es eines Machtworts aus Karlsruhe. Der BGH entschied nun im Sinne der Kunstfreiheit, von der auch eine angemessene Bewerbung des Kunstwerks erfasst ist.
Die Vorgeschichte
Die beiden Vorinstanzen, das Landgericht und das Oberlandesgericht Köln, waren zu entgegengesetzten Entscheidungen gekommen. Hatte sich Tina Turner vor dem Landgericht noch gegen die COFO Entertainment GmbH & Co. KG durchgesetzt (siehe dazu hier), unterlag sie in der Berufungsinstanz vor dem Oberlandesgericht Köln (siehe hierzu der damalige Blogbeitrag).
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Köln war die Plakatwerbung der Produzentin zulässig. Es führte aus, dass die Kunstfreiheit nicht nur das Kunstwerk selbst schütze, sondern auch die Verbreitung und den Absatz desselben, den sogenannten Wirkbereich. Wenn das Kunstwerk geschützt sei, müsse daher auch eine Werbung für dieses zulässig sein. Und für eine Tina-Turner Tribute-Show lässt sich nun einmal schlecht werben, wenn weder der Name noch das Bildnis Tina Turners genutzt werden dürfen. Anders als noch das Landgericht sah das OLG keinen Ansatzpunkt für Täuschungshandlungen der Produzentin. Durchschnittsbetrachter wüssten, dass Tina Turner mittlerweile über 80 Jahre alt ist und ihre aktive Karriere lange beendet hat. Zudem spiele die Tribute Show in kleineren Spielstätten, was auch auf den Plakaten zu sehen sei. Dass eine Musikikone wie Tina Turner in kleinen Spielstätten persönlich auftrete, sei derart fernliegend, dass sich der Durchschnittsbetrachter hiervon nicht täuschen lassen würde.
Die Entscheidung
Der Bundesgerichtshof bestätigte nun die Entscheidung des Oberlandesgerichts und wies die Revision Tina Turners zurück. Er führte aus, dass die Produzentin zwar ein Bildnis der Rockdiva nutze (wenngleich in der konkreten Form eines „Look-Alikes“), diese Nutzung aber wegen der hohen Bedeutung der Kunstfreiheit von Tina Turner hinzunehmen sei. Das Gericht umschiffte die eigentlich anwendbare Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) elegant und führte seine Prüfung im Rahmen des nationalen Rechts nach den §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz (KUG) durch.
Hier sah es § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG als einschlägig an, welcher Bildnisse privilegiert, die einem höheren Interesse der Kunst dienen. Letztlich handelt es sich hier um eine spezialgesetzliche Ausprägung der Kunstfreiheit. Diese streitet hier für die Produzentin, da eben auch die Bewerbung des Kunstwerks Tribute-Show von ihrem Wirkbereich umfasst ist. Tina Turners Interesse am Schutz ihrer Persönlichkeit müsse hier in der konkreten Güter- und Interessenabwägung zurücktreten. Betroffen sei hier ohnehin nur die im Verhältnis zu Privat- und Intimsphäre weniger schutzwürdige Sozialsphäre Tina Turners, weil sie die Lieder der Show während ihres Berufslebens selbst öffentlich aufgeführt habe und es ein rein wirtschaftliches Interesse darstelle, ihre Popularität finanziell nach ihren eigenen Vorstellungen zu verwerten.
Auf den Plakaten seien zudem keine unwahren Aussagen enthalten. Vielmehr sei dem durchschnittlichen Rezipienten durch die Formulierung „Die Tina-Turner-Story“ klar, dass in der Show die Geschichte Tina Turners erzählt werde. Ein direktes Mitwirken der Musikerin selbst sei – gerade auch im Hinblick auf ihr über 10 Jahre zurückliegendes Karriereende – hingegen fernliegend. Auch Hinweise auf eine Erlaubnis oder Unterstützung der Tribute-Show durch Tina Turner selbst fehlten. Durchschnittliche Betrachter des Plakats erhielten allenfalls den Eindruck, dass eine der jüngeren Tina Turner ähnlich sehende Sängerin in der Tribute-Show auftrete.
Lehren für die Praxis
Der BGH hält mit diesem Revisionsurteil die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln aufrecht und schließt sich der Argumentation der Vorinstanz im Wesentlichen an. Mit diesem klärenden Wort aus Karlsruhe wird veranstaltenden Produktionsunternehmen die Bewerbung von Tribute-Shows deutlich erleichtert. Sie sollte jedoch auch nicht als Freibrief missverstanden werden. Nicht jede konkrete Werbung müsste zum selben Abwägungsergebnis führen. Eine wichtige Rolle spielte hier etwa, dass Tina Turner ihre aktive Karriere vor über 10 Jahren beendet hat. Wer Tribute-Shows mit Doppelgängern noch aktiver Künstler produzieren möchte, sollte daher ein wenig zurückhaltender werben, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, die eigene Veranstaltung mit unwahren Aussagen anzukündigen. Eine gut wahrnehmbare Klarstellung auf den Werbematerialien, dass die prominente Person von einem Dritten dargestellt wird („mit .. als ..“) sollte in jedem Fall ausreichend sein.
Besonders bemerkenswert an der Entscheidung ist zudem, dass der BGH ein inhaltliches Eingehen auf die Voraussetzungen der DSGVO sehr bewusst vermeidet. Manche äußerst relevante und in der Praxis derzeit unklare Rechtsfrage wird zwar angerissen, aber letztlich offengelassen, da im Ergebnis laut BGH die Abwägung nach den europäischen Grundfreiheiten zum selben Ergebnis führen müsse wie nach den Grundrechten des Grundgesetzes. Damit sendet der BGH ein Signal der Entspannung vor allem in Bezug auf die Zulässigkeit von Film- und Fotoaufnahmen bei Veranstaltungen. Solange diese mit dem KUG vereinbar und nach einer Güter- und Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Grundrechte des Grundgesetzes zulässig sind, spricht damit auch vieles für eine Zulässigkeit nach der DSGVO – jedenfalls nach Ansicht des Bundesgerichtshofs. Der EuGH könnte dies freilich in Zukunft anders sehen.