Vernichtung des Innenausbaus einer Kathedrale durch Umbau ist rechtmäßig
Den Urhebern bzw. ihren Rechtsnachfolgern des Innenausbaus der St.-Hedwigs-Kathedrale in Berlin stehen keine Unterlassungsansprüche gegen einen geplanten Umbau zu. Die Vernichtung diverser Elemente der Innenausstattung ist rechtmäßig.
Sachverhalt
Eine Werkgemeinschaft hatte den Kircheninnenraum der St.-Hedwigs-Kathedrale in Berlin nach seiner Zerstörung im zweiten Weltkrieg neu gestaltet. Beteiligt waren ein Architekt, Goldschmiede, Glaskünstler, Textilgestalter, Bauhausweber und Metallgestalter.
Dieser Innenraum sollte nun umgestaltet werden: Die Inhaberin eines Erbbaurechts an dem mit der Kathedrale bebauten Grundstück plante einen Umbau. Sie wollte unter anderem eine Öffnung zur Unterkirche verschließen, ein Kuppelkreuz entfernen und zwei Figurennischen mit Durchgängen versehen. Zudem diverse Elemente der Innenausstattung entfernen, beispielsweise Wandbehänge, einen Altarleuchter und Metalltreppengeländer. Die von der Werkgemeinschaft gestalteten Elemente würden dabei vollständig beseitigt. Gründe für die Umgestaltung sind neben einer allgemeinen Renovierungsbedürftigkeit insbesondere auch veränderte liturgische Erfordernisse.
Die Urheber bzw. ihre Rechtsnachfolger wenden sich gegen die geplanten Umbaumaßnahmen und begehren deren Unterlassung.
Entscheidung
Das Landgericht Berlin hat einen Unterlassungsanspruch verneint.
Zunächst stellte es fest, dass auch durch den Umbau und die Vernichtung der Elemente ein Eingriff nach § 14 UrhG vorliegt. Ein solcher liegt nicht nur in einer entstellenden Umgestaltung, sondern auch bei der vollständigen Zerstörung eines Kunstwerks vor.
Die Vernichtung ist nach Ansicht des Landgerichts Berlin aber nicht geeignet, berechtigte persönliche und geistige Interessen der Urheber am Werk zu gefährden.
Bei der umfassenden Abwägung der Interessen der Urheber und der Eigentümerin berücksichtigte das Landgericht Berlin zu Gunsten der Urheber, dass es sich bei dem zu vernichtenden Werk um das einzige Vervielfältigungsstück des Werks handelte. Zudem bewertete es die Gestaltungshöhe, die zu einem leicht überdurchschnittlichen Erhaltungsinteresse der Urheber führt.
Zu Gunsten der Eigentümerin sind zunächst die berechtigten Interessen der Eigentümerin an der freien Nutzung ihres Eigentums zu berücksichtigen. Diesem muss grundsätzlich auch durch weitgehende Baumaßnahmen Rechnung getragen werden können. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, dass die Kathedrale zwar einen künstlerisch ausgestalteten Sakralbau darstellt, aber gleichwohl ein Gegenstand der angewandten, einem Gebrauchszweck dienenden Kunst ist. Bei solchen Werken der Baukunst werden die Interessen von Eigentümern an anderweitiger Nutzung oder Bebauung des Grundstücks oder Gebäudes den Interessen der Urheber am Erhalt des Werks in der Regel vorgehen. Zumindest, sofern sich aus den Umständen des Einzelfalls nichts anderes ergibt.
Zudem führte das Landgericht Berlin an, dass die Urheber das Risiko des einzigen Vervielfältigungsstücks bewusst eingegangen sind. Ebenso wussten sie, dass den Vervielfältigungsstücken Gebrauchswert zukommt und sie bei veränderten Anschauungen oder beabsichtigter Nutzungsänderung zerstört werden könnten. Besondere Bedeutung kommt zudem der Tatsache zu, dass die Kathedrale durch den Umbau neuen liturgischen Erfordernissen angepasst werden soll.
Da der Kircheninnenraum auch zuvor bereits mehrfach umgestaltet wurde, mussten die Urheber überdies damit rechnen, dass es zu weiteren Umgestaltungen des Innenraums kommen könnte.
Als letztes Argument führt das Landgericht Berlin aus, dass die Werkleistung ausführlich dokumentiert wurde. Die Beklagte hat vor Beginn der Umbauarbeiten zudem eine weitere ausführliche Fotodokumentation gefertigt.
Im Ergebnis überwiegen daher die Interessen der Beklagten als Eigentümerin an der Umgestaltung ihres Eigentums die Interessen der Kläger am Erhalt der Innenraumgestaltung. Die Vernichtung diverser Elemente der Innenausstattung ist deshalb rechtmäßig.
Praxishinweis
Wie bereits der BGH zum „Mannheimer Loch“ entschieden hat (wir berichteten hier), liegt ein Eingriff nach § 14 UrhG nicht nur im Fall einer entstellenden Umgestaltung, sondern auch bei vollständiger Zerstörung eines Kunstwerks vor.
Bei Werken der einem Gebrauchszweck dienenden Kunst können jedoch beispielsweise berechtigte Modernisierungsinteressen oder veränderte Nutzungsbedürfnisse Umbauten erforderlich machen. In diesem Fall haben die Interessen des Urhebers zurückzutreten.
Das Urteil des Landgerichts Berlin ist hier abrufbar.