Voraussetzungen für Preismissbrauch durch eine Urheberrechtsverwertungsgesellschaft

von am 11. Februar 2021

Sachverhalt

Die belgische Verwertungsgesellschaft für musikalische Werke, SABAM, verlangte von zwei Festivalveranstaltern Gebühren. Auf ihren Veranstaltungen wurden urheberrechtlich geschützte Musikwerke aufgeführt, an welchen die SABAM die Rechte wahrnimmt. Die Gesellschaft, die in Belgien eine faktische Monopolstellung innehat, legte den Gebühren ihren Grundtarif zugrunde, der auf Grundlage der Bruttoeinnahmen aus dem Kartenverkauf berechnet wird. Eine Tarifreduzierung ist in einem abgestuften System möglich: Gehört weniger als ein Drittel der aufgeführten Musikwerke zum SABAM-Repertoire, berechnet diese ein Drittel des Grundtarifs. Zwei Drittel fallen an, wenn weniger als zwei Drittel SABAM-Werke verwendet wurden.

Die Festivalveranstalter halten den Tarif wegen Verstoß gegen Art. 102 AEUV für rechtswidrig. Erstens entspräche ein Abstellen auf die Bruttoeinnahmen nicht dem wirtschaftlichen Wert der von SABAM erbrachten Leistungen, solange der Tarif keinen Abzug sämtlicher Ausgaben zulasse, die bei der Veranstaltung dieser Festivals entstanden seien und die nicht im Zusammenhang mit den dabei aufgeführten Musikwerken stünden. Zweitens sei es mit Hilfe moderner Technik möglich, die aufgeführten Musikwerke aus dem Repertoire und deren Laufzeit genauer zu ermitteln und das abgestufte Preissystem damit ebenfalls missbräuchlich.

Das vorlegende Gericht fragt, ob die Tarifierung mit Art. 102 AEUV vereinbar ist und wie trennscharf eine Tarifierung sein muss, die von einer Organisation mit beherrschender Stellung erstellt worden ist, damit kein Missbrauch der Monopolstellung vorliegt.

Entscheidungsgründe

Das Verhalten von Verwertungsgesellschaften kann missbräuchlich sein und damit unter das Verbot des Art. 102 AEUV fallen, wenn sie beim Festlegen der Gebührenhöhe einen überhöhten Preis ohne vernünftigen Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Wert der von ihnen erbrachten Leistung verlangen. Die erbrachte Leistung besteht darin, den Nutzern das gesamte von ihnen verwaltete Repertoire urheberrechtlich geschützter Musikwerke zur Verfügung zu stellen.

Es gilt ein angemessenes Gleichgewicht zu finden zwischen den Interessen der Urheber an einer Vergütung für die Nutzung der Werke und dem Interesse des Nutzers, ein Werk zu angemessenen Bedingungen nutzen zu können. Faktoren sind dabei der wirtschaftlicher Wert der Leistung als solcher, Art und Umfang der Werknutzung sowie der durch diese Nutzung generierte wirtschaftliche Wert.

Um die Überhöhtheit eines Preises zu bestimmen gibt es vor allem folgende Methoden: (1) Preise, die das beherrschende Unternehmen in der Vergangenheit für gleiche Dienstleistungen auf demselben relevanten Markt verlangte; (2) Preise, die ein solches Unternehmen für andere Dienstleistungen oder gegenüber anderen Kundenkategorien verlangte; (3) Preise, die andere Unternehmen für die gleiche Dienstleistung oder für vergleichbare Dienstleistungen auf anderen nationalen Märkten verlangten, jedoch nur, soweit dieser Vergleich auf einheitlicher Grundlage vorgenommen wird.

Eine Tarifskala, die auf einem Prozentsatz der mit einer Musikveranstaltung erzielten Einnahmen beruht, ist als übliche Verwertung des Urheberrechts anzusehen. Sie steht mit dem wirtschaftlichen Wert der von der Verwertungsgesellschaft erbrachten Leistung grundsätzlich in einem vernünftigen Zusammenhang.

Eine fehlende Abzugsfähigkeit der Ausgaben an sich stellt kein missbräuchliches Verhalten iSv Art. 102 AEUV dar. Eine solche sei auch bei vergleichbaren Tarifen gegeben. Weiter kann es sich als besonders schwierig erweisen, bei den genannten Faktoren objektiv diejenigen spezifischen Aspekte zu bestimmen, die keine Verbindung zu den aufgeführten Musikwerken und damit zur Leistung der Verwertungsgesellschaft aufweisen. Zuletzt könne eine Verpflichtung, derartige besonders heterogene und subjektive Aspekte zu berücksichtigen, zu einer unverhältnismäßigen Zunahme der bei der Vertragsverwaltung und für die Überwachung der Nutzung der urheberrechtlich geschützten Musikwerke entstehenden Kosten führen.

Seine Grenze findet der Tarif, wenn die Höhe der tatsächlich festgesetzten Gebühr mit dem wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung in keinem vernünftigen Zusammenhang steht. Ob dies der Fall ist, hat das nationale Gericht vor dem Hintergrund des konkreten Falls, mit dem es befasst ist, unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Dazu gehören auch der festgesetzte Gebührensatz und die Einnahmen, anhand deren dieser Satz berechnet wird.

Ein abgestuftes Preissystem ist missbräuchlich, wenn es eine andere Methode gibt, die es erlaubt, die Nutzung von Werken präziser zu bestimmen und quantitativ genauer zu erfassen. Zugleich muss die alternative Methode aber geeignet sein, dasselbe legitime Ziel des Schutzes der Interessen der Urheber, Komponisten und Musikverleger zu verwirklichen, ohne dass sie zugleich zu einer unverhältnismäßigen Erhöhung der Kosten der Verwaltung der Vertragsbestände und der Überwachung der Nutzung der urheberrechtlich geschützten Musikwerke führen würde. Im Hinblick auf alternative Methoden Berücksichtigung finden müssen insbesondere der technische Fortschritt bei der Entwicklung von Software zur Musikerkennung, eine präzisere Auswertungsmöglichkeit der eingeforderten Musikmeldungen sowie ein Rückgriff auf ein zugelassene Kontrollunternehmen.

Praxishinweis

Das EuGH-Urteil hat erhebliche Bedeutung für die Praxis. Der EuGH hat wiederholt entschieden, dass Verwertungsgesellschaften missbräuchlich iSd Art. 102 AEUV handeln, wenn sie überhöhte Gebühren verlangen, die keinen vernünftigen Zusammenhang mit dem Wert der von ihnen erbrachten Leistung aufweisen. Zwar verweist der EuGH für die Frage der Bestimmung der Überhöhtheit im Einzelfall auf die Beurteilung durch die nationalen Gerichte. Allerdings gibt der EuGH in dem Urteil wichtige Leitlinien hinsichtlich Subsumtion und Technik für die Bestimmung einer solchen Überhöhtheit an die Hand.

 

Das vollständige Urteil finden Sie hier.

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