Was bedeutet die Klagewelle gegen Anbieter von generativer KI für den Einsatz dieser Systeme und die unternehmensinterne Compliance?

von am 17. August 2023

Künstliche Intelligenz (KI) hat das Potenzial eine Vielzahl von Arbeitsplätzen zu ersetzen. Laut einer Studie der US-Bank Goldman Sachs bis zu 300 Millionen Vollzeitarbeitsplätze weltweit. In den Vereinigten Staaten und Europa könnten zwei Drittel aller Jobs von Automatisierungen betroffen sein, bis zu einem Viertel aller Arbeiten könnte vollständig von KI übernommen werden (Goldman Sachs, The Potentially Large Effects of Artificial Intelligence on Economic Growth (Briggs/Kodnani), 26. März 2023).

Gleichzeitig bedeutet diese Entwicklung ein enormes Potenzial für Unternehmen Kosten einzusparen und die Produktivität zu steigern, aber auch die dringende Notwendigkeit, sich mit diesen Potenzialen auseinanderzusetzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Neue Aufgaben und Anforderungen werden entstehen und Unternehmen werden neue Prozesse aufsetzen müssen, um diese Änderungen für ihre Zwecke bestmöglich zu nutzen.

Laut Goldman Sachs könnte die Produktivitätssteigerung zu einem Anstieg des globalen Bruttosozialproduktes von 7% führen, während der globale Mittelwert über die letzten 50 Jahre bei ca. 3,5% lag. An diesen Entwicklungen werden nur Unternehmen teilhaben, die sich mit den Chancen der neuen Technologie auseinandersetzen.

Gleichzeitig herrscht Verunsicherung, denn die Anbieter der größten und bekanntesten Systeme generativer KI sehen sich derzeit einer Welle von Klagen ausgesetzt, in denen es um eine Haftung der Betreiber für verschiedenste Rechtsverletzungen geht.

In Delaware klagte am 6. Mai 2020 die juristische Datenbank Thomas Reuters gegen das Legal Tech StartUp ROSS Intelligence wegen der Nutzung der Datenbankinhalte für das KI-Training eines künstlich intelligenten Anwalts. Sie warfen dem StartUp die Verletzung von Urheberrecht und Veranlassung zum Vertragsbruch vor. Dagegen wehrte ROSS Intelligence sich mit einer Gegenklage auf Feststellung von Fair Use und der missbräuchlichen Geltendmachung von Urheberrecht.

Am 13. Januar 2023 reichte eine Gruppe von Künstler:innen ebenfalls in San Francisco Sammelklage gegen die Anbieter der Bildgeneratoren Stable Diffusion, Midjourney und DeviantArt ein. Die Künstler:innen wenden sich gegen die Nutzung von Milliarden urheberrechtlich geschützter Bilder durch Stability AI ohne die Erlaubnis der Urheber:innen zum Trainieren und Erstellen des Systems. Sie stützen ihre Klage auf den Vorwurf des Vertragsbruchs und der Verletzung von AGB, den Vorwurf unlauteren Wettbewerbs, sowie der Verletzung des Digital Millennium Copyright Acts (DMCA). Dagegen verteidigt sich der beklagte KI-Anbieter hauptsächlich mit dem Argument, die von der KI erstellten Bilder seien nicht mit dem Original-Werk des Künstlers vergleichbar.

Auch die Stock-Foto-Agentur Getty Images klagte gegen Stability AI. Am 3. Februar 2023 klagten sie gegen den KI-Anbieter in Delaware wegen Urheberrechtsverletzung, Änderung von Wasserzeichen, Verletzung von Markenrechten und unlauteren Wettbewerb vor. Stability AI habe vermeintlich ohne Erlaubnis der Urheber:innen Kopien von 12 Millionen urheberrechtlich geschützten Bildern zum Trainieren und Erstellen des Systems verwendet.

Am 5. Juni 2023 reichte der Radiomoderator Mark Walters in Gwinnet County eine Verleumdungsklage gegen OpenAI ein. Walters wendet sich damit gegen die Behauptung von ChatGPT, er habe als Finanzchef einer gemeinnützigen Stiftung für Waffenrechte Gelder in Höhe von mehr als fünf Millionen Dollar veruntreut. Tatsächlich gebe es eine solche Anschuldigung gegen ihn nicht, er sei weder im Vorstand der Organisation gewesen noch in den Prozess involviert.

Mit Klage vom 28. Juni 2023 sowie 7. Juli 2023 wendet sich im Rahmen einer Sammelklage in San Francisco mehrere Autor:innen gegen OpenAI und Meta – unter anderem die bekannte Comedian Sarah Silverman. Die KI-Modelle ChatGPT und LLaMA hätten durch die Verwendung von illegalen Kopien aus Datenbanken wie Library Genesis (auch bekannt als LibGen), Z-Library (auch bekannt als B-ok), Sci-Hub und Bibliotik für das Training von GPT, die Entfernung von Copyright-Information, die Erstellung bearbeiteter Fassungen der Werke sowie die Verbreitung dieser Fassungen ohne Urheberrechtsvermerk die Urheberrechte der Autor:innen verletzt. Daneben werfen die Autor:innen den KI-Anbietern Verstöße gegen ihre Persönlichkeitsrechte und das Recht auf Vergessen vor.

Der Google-Mutterkonzert Alphabet sieht sich seit 11. Juli 2023 im Nothern District of California einer Sammelklage mehrerer Einzelpersonen gegenüber. Darin wird dem Konzern vorgeworfen, durch die Nutzung persönlicher und beruflicher Informationen, kreativer und textlicher Arbeiten sowie Fotos und E-Mails ¬– kurz, ihres gesamten digitalen Fußabdrucks – zur Entwicklung ihrer KI-Produkte, insbesondere von Google Bard, u.a. gegen Datenschutzrecht sowie das Recht auf Vergessenwerden verstoßen zu haben. Die Klage folgt auf die Änderung der Datenschutzpolitik von Google im Rahmen derer Google sich das Recht einräumt, alle online verfügbaren Daten zu nutzen, um seine künstlichen Intelligenzsysteme zu trainieren.

Zudem nahm die US Federal Trade Commission am 13. Juli 2023 Ermittlungen gegen OpenAI auf, nachdem ChatGPT des Öfteren rufschädigende Unwahrheiten über Personen erfunden hatte.

Zuletzt hat sich am 19. Juli 2023 die Authors Guild mit einem offenen Brief von über 8.000 Autor:innen, darunter auch bekannte Größe wie Dan Brown und Margaret Atwood, an die CEOs von OpenAi, Alphabet, Meta, Stability Ai und Microsoft gewendet. Sie fordern darin eine Lizenzierung ihrer Werke für das Training von KI-Systemen.

Auch in Deutschland bleiben solche Fälle nicht aus. In Hamburg stellte der deutsche Fotograf Robert Kneschke einen Antrag auf Löschung seiner Bilder aus dem von LAION eV zur Verfügung gestellten KI-Training Datensatz. Dieser wurde u.a. für das Training von Stable Diffusion genutzt. LAION eV. verweigerte die Löschung, woraufhin Kneschke Klage einreichte. Er wirft LAION Urheberrechtsverletzung durch unberechtigte Nutzung seiner Werke vor.

Rechtssicherheit für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke für das Training generativer KI gibt es aktuell nicht und wird angesichts der Zeit, die die genannten Klagen in Anspruch nehmen werden, auch noch nicht unmittelbar zu erlangen sein. Der sicherste Weg bleibt daher die Verwendung lizensierter Datensätze – und lizensierter KI-Dienste. Auch Inhalte auch Open-Source-Projekten können – unter den damit einhergehenden Lizenzbedingungen – verwendet werden. In bestimmten Fällen könnte die Informationsgewinnung aus urheberrechtlich geschützten Werken auch von den Text und Data Mining Ausnahmen (Artikel 4 DSM-Richtlinie bzw. § 44b UrhG) gedeckt sein. In USA kann unter bestimmten Umständen Fair Use eine Rolle spielen.

KI ist nicht gleich KI – die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke und deren Verwertung in Zusammenhang mit dem eingesetzten KI-Training bzw. dessen Nutzung innerhalb eines bestimmten KI-Systems ist in jedem Einzelfall genau zu überprüfen, damit die richtigen Schritte für ein rechtssicheres KI-Training oder für die Integrierung von KI-Systemen eingehalten werden können.

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