Weiterbeschäftigungsangebot bei fristloser Kündigung
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 29. März 2023 (Az. 5 AZR 255/22) entschieden, dass Arbeitgeber sich widersprüchlich verhalten, wenn sie eine außerordentliche Kündigung mit einem Weiterbeschäftigungsangebot verbinden. Der Arbeitgeber gerät daher auch dann in Annahmeverzug, wenn der/die Mitarbeitende das Weiterbeschäftigungsangebot ausschlägt.
Sachverhalt
Der Kläger war seit dem 16. August 2018 bei der Beklagten als technischer Leiter mit einem Bruttomonatsverdienst von 5.250,00 EUR beschäftigt. Am 2. Dezember 2019 erklärte die Beklagte eine fristlose Änderungskündigung mit dem Angebot, den Kläger künftig als Softwareentwickler mit einem Bruttomonatsverdienst von 3.750,00 EUR zu beschäftigen. Zugleich forderte die Beklagte den Kläger auf, ab dem 5. Dezember 2019 wieder zur Arbeit zu erscheinen, falls er das Angebot und die außerordentliche Kündigung ablehne. Der Kläger lehnte das Angebot ab und erschien nicht mehr zur Arbeit.
Am 14. Dezember 2019 sprach die Beklagte erneut eine fristlose Kündigung aus, die wieder mit der Aufforderung verbunden war, bei Ablehnung wie gewohnt am Arbeitsplatz zu erscheinen. Auch dem leistete der Kläger keine Folge.
Im Kündigungsschutzprozess beantragte der Kläger eine vorläufige Weiterbeschäftigung. In dem Kündigungsschutzprozess wurde festgestellt, dass beide außerordentlichen Kündigungen unwirksam waren.
Daraufhin erhob der Kläger Klage auf Annahmeverzugslohn. Er ist der Auffassung, dass es ihm nicht zuzumuten gewesen sei, während des laufenden Kündigungsschutzprozesses bei der Beklagten tätig zu sein. Bei der Begründung der Kündigungen sei ihm nämlich vielfaches Fehlverhalten vorgeworfen und seine Person herabgewürdigt worden.
Die Klage blieb vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht erfolglos.
Entscheidung
Die Revision des Klägers war erfolgreich. Das Bundesarbeitsgericht nahm an, dass sich die Beklagte aufgrund der außerordentlichen Kündigungen im Annahmeverzug befand, auch wenn der Kläger seine Arbeit nicht angeboten hatte.
Die Beklagte verhält sich nämlich widersprüchlich, wenn sie einerseits davon ausgeht, dass eine Weiterbeschäftigung für sie unzumutbar ist, andererseits aber eine solche Weiterbeschäftigung anbietet. Daher wird in diesem Fall tatsächlich vermutet, dass das Angebot auf Weiterbeschäftigung nicht ernst gemeint war.
Dies gilt auch dann, wenn der Kläger selbst im Kündigungsschutzprozess die Weiterbeschäftigung beantragt. Dieser Antrag ist nämlich auf die Weiterbeschäftigung nach der Rehabilitation durch ein erstinstanzliches Urteil und nicht – wie das Angebot der Beklagten – auf die Weiterbeschäftigung während des laufenden Kündigungsschutzprozesses gerichtet.
Praxishinweis
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts verdeutlicht, dass Arbeitgeber in keinem Fall eine außerordentliche Kündigung mit einem Weiterbeschäftigungsangebot verbinden sollten.
Zum einen besteht hier die Gefahr, dass aufgrund der außerordentlichen Kündigung ein Weiterbeschäftigungsangebot als widersprüchlich angesehen und der Annahmeverzug dadurch nicht verhindert werden kann.
Zum anderen besteht ebenfalls das Risiko, dass die außerordentliche Kündigung aufgrund des Weiterbeschäftigungsangebots als unwirksam erachtet wird. Eine außerordentliche Kündigung ist nämlich nur dann wirksam, wenn die Weiterbeschäftigung des Mitarbeitenden unzumutbar ist. Ein Weiterbeschäftigungsangebot spricht jedoch entschieden gegen die Unzumutbarkeit.