BGH: Veröffentlichungen von Zitaten aus Anwaltsschreiben sind zulässig
Der BGH hat in einer Auseinandersetzung zwischen einem Medienanwalt und einem Nachrichtenmagazin entschieden, dass das Magazin in einem Beitrag über den Umgang von Gerichten und Anwälten mit kritischer Presseberichterstattung aus einem Anwaltsschreiben zitieren darf. Dies auch dann, wenn in dem Anwaltsschreiben darauf hingewiesen wird, dass die darin enthaltenen Informationen nicht veröffentlicht werden dürfen. Dem klagenden Medienanwalt stehe wegen der beanstandeten Äußerungen ein Unterlassungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu (Urteil vom 26. November 2019, Az.: VI ZR 12/19).
Der Sachverhalt
Der Kläger ist ein auf das Medienrecht spezialisierter Rechtsanwalt, der überwiegend die Rechte von „Betroffenen“ einer Berichterstattung wahrnimmt. Im Rahmen einer Steuer-Affäre vertrat er eine prominente Person, der im Rahmen der journalistischen Konfrontation Fragebögen des Nachrichtenmagazins übersandt worden waren. Auf die Konfrontation antwortete der Kläger wie folgt: „Mir liegen Ihre Fragebögen an meine[n] Mandanten vor. Die nachfolgenden Ausführungen dienen nicht der Einlassung zu Ihren Fragen, sondern ausschließlich der presserechtlichen Interessenvertretung im Interesse der Vermeidung einer offensichtlich angedachten und rechtswidrigen Berichterstattung. Die Einlassungen sind daher nicht zur Veröffentlichung bestimmt. […] Sollten Sie entgegen dieser Sach- und Rechtslage dennoch berichten, werden wir definitiv nicht nur zivilrechtliche Schritte einleiten. Das ist eine neue Qualität von journalistischer Verrohung, wenn […] sich anschickt, Daten, die durch Straftaten erlangt wurden und Sachverhalte auch falsch wiedergeben, zur Grundlage [ihrer] Artikel macht. […]“
Das Nachrichtenmagazin veröffentlichte sodann einen Artikel mit der Überschrift „Bitte bellen Sie leise“ und der Unterüberschrift „[…] Die Presse soll Wachhund der Demokratie sein. Die Fälle [Y] und [X] zeigen, dass manche Presserichter in Deutschland Schoßhunde bevorzugen“. Weiter heißt es: „Am 3. Dezember erschien [die Zeitschrift] mit der Y-und der X-Geschichte und gab sich alle Mühe, die Regeln einzuhalten. Mehr als eine Woche vorher hatte die Redaktion Y, X und ihre Beraterstäbe darum gebeten, die Ergebnisse der monatelangen Recherchen zu kommentieren. Von Ys Seite kam wenig zurück, von Xs vor allem eine Drohung. Dort spielte nun [Kläger] mit, Medienrechtler aus […], bekannt für hohe Honorare und ein erhöhtes Empörungspotential. Diesmal empörte er sich über eine angeblich „neue Qualität von journalistischer Verrohung“. [Die Zeitschrift] nutze Material aus einem „Hackerangriff“, die Fragen seien „der Privatsphäre … bzw. dem Steuergeheimnis zuzurechnen“. Eine Zeile über den Fall im Heft und man werde klagen. Definitiv!“
Der Kläger verlangte sodann die Unterlassung der zitierten Passagen.
Die Entscheidung
Der BGH weist die Revision des Klägers zurück; dem Kläger stehe wegen der beanstandeten Äußerungen ein Unterlassungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Das Landgericht Köln (Urteil vom 21. März 2018, Az.: 28 O 309/17) hatte zuvor der Klage stattgegeben, das OLG Köln (Urteil vom 13. Dezember 2018, Az.: 15 U 53/18) sie auf die Berufung des Nachrichtenmagazins hin abgewiesen.
Der 6. Zivilsenat zeigt zunächst verschiedene Schutzbereiche des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf (Recht, von der Unterschiebung nicht getaner Äußerungen verschont zu bleiben, Ausprägung der Berufsehre und der sozialen Anerkennung, Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Ausprägung als Schutz der Vertraulichkeits- und Geheimsphäre), für die er jedoch im vorliegenden Fall eine Betroffenheit des Klägers ablehnt. In Betracht komme allein eine Berührung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers in seiner Ausprägung als Bestimmungsrecht des Autors über die Veröffentlichung eines von ihm verfassten Schreibens.
Die Karlsruher Richter stellen heraus, dass das Anwaltsschreiben nicht den persönlichen Lebensbereich des Klägers betreffe; es handele sich nicht um eine private Kommunikation, mit deren Wiedergabe in der Öffentlichkeit er keinesfalls rechnen musste. Vielmehr werde nur der Inhalt eines Schriftstücks kurz wiedergegeben, das der Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit verfasst und selbst aus der Hand gegeben habe. Dabei sei ihm bewusst gewesen, dass an der Reaktion seines Mandanten auf die von der Zeitschrift angestellten Recherchen ein großes Interesse der Zeitschrift bestand. Ein absolutes Recht, über die Weitergabe der Information, mit welchem Inhalt er sich an die Zeitschrift gewandt habe, zu bestimmen, stehe dem Kläger nicht zu. Der Kläger könne ein solches Recht daher auch nicht durch die einseitige Erklärung begründen, seine Einlassungen seien nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Unter Verweis auf die Beschlüsse „Recht auf Vergessen I + II“ des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse vom 6. November 2019 – 1 BvR 16/13 und 1 BvR 276/17) betont der BGH, würde man einer solchen Erklärung Bedeutung beimessen, könnte jeder zu Lasten der dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gegenüberstehenden Freiheitsrechte Dritter durch einseitige Erklärung zu seinen Gunsten einen Persönlichkeitsschutz begründen, der über die Gewährleistungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Spannungsverhältnis zwischen Schutz und Freiheit hinausreicht. Im vorliegenden Fall überwiege das Schutzinteresse der Beklagten an ihrem Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit die Schutzinteressen des Klägers. Dabei sei zu berücksichtigen gewesen, dass die Veröffentlichung des Zitats den Kläger nur in der Sozialsphäre und angesichts seiner Kürze in seinem Bestimmungsrecht als Autor allenfalls nur sehr geringfügig beeinträchtigt. […] Demgegenüber leiste die Beklagte – wenn auch im streitgegenständlichen Fall vor dem Hintergrund eigener presserechtlicher Auseinandersetzungen mit dem Kläger – mit der Veröffentlichung einen Beitrag zum öffentlichen Meinungskampf.
Praxishinweise
Nach der Karlsruher Entscheidung steht nun fest, dass Zitate aus Anwaltsschreiben – und anderen im Rahmen der Betätigung innerhalb der Sozialsphäre verfassten Schriftstücken – dann zulässig sind, wenn diese im Rahmen einer Auseinandersetzung mit einer Angelegenheit von öffentlichem Informationsinteresse erfolgen. Durch die rein einseitige Aussage, etwas sei nicht zur Veröffentlichung bestimmt, kann eine Veröffentlichung nicht verboten werden.