Großer Ärger um das Große Recht

von am 5. September 2019

Der Bühnen- und Filmkomponist Parviz Mir-Ali hat sich in einem Rechtsstreit gegen das Düsseldorfer Schauspielhaus durchgesetzt. Das Landgericht Düsseldorf folgte seiner Argumentation, dass es sich bei der Aufführung seiner speziell für eine bestimmte Bühneninszenierung geschriebenen Musik um das sog. „Große Recht“ handele. Die Lizenzierung konnte daher nicht über die GEMA abgewickelt werden, sondern war von der Zustimmung des Komponisten abhängig.

Was war geschehen?

Im Januar 2016 erfolgte die Premiere der Bühnenadaption des Dostojewski-Romans „Der Idiot“ in der Inszenierung von Matthias Hartmann am Staatsschauspiel Dresden. Parviz Mir-Ali, den mit Hartmann eine langjährige Zusammenarbeit verbindet, komponierte hierfür eine spezielle Bühnenmusik. Bei der Erarbeitung der Musik stimmte er sich intensiv mit dem Regisseur und einem Videokünstler ab und war auch regelmäßig während der Proben anwesend, um seine Musik an die szenische Umsetzung anzupassen.

Für die Spielzeit 2016/17 übernahm sodann das Düsseldorfer Schauspielhaus die Inszenierung und zahlte Herrn Mir-Ali zunächst eine Pauschalvergütung für eben diese Spielzeit. Als das Schauspielhaus jedoch in der darauffolgenden Spielzeit eine Wiederaufnahme durchführte, wies es die von Herrn Mir-Ali gestellte Rechnung zurück und berief sich darauf, dass es schon ordnungsgemäß an die GEMA abrechne. Herr Mir-Ali beschritt daraufhin den Klageweg.

Großes und Kleines Recht

Im Kern drehte sich der Rechtsstreit um die oftmals schwierige, aber im Bereich des Musiktheaters zentrale Abgrenzung des sog. Großen Rechts vom Kleinen Recht. Das Große Recht ist dabei das Schlagwort für das in § 19 Abs. 2 UrhG genannte „Recht, ein Werk [der Musik] öffentlich bühnenmäßig darzustellen“. Das Kleine Recht bezeichnet hingegen die nicht-bühnenmäßige Aufführung eines Musikstücks, etwa im Rahmen eines Konzerts. Die Abgrenzung bereitet im Einzelfall häufig deshalb so große Schwierigkeiten, weil nicht jede Aufführung von Musik auf der Bühne gleich eine „bühnenmäßige“ im Sinne des Gesetzes ist, sondern es auf die konkrete Art und Weise der Wiedergabe ankommt.

Trotz der bestehenden Abgrenzungsunsicherheiten ist jedoch die Entscheidung für Großes oder Kleines Recht aus Sicht des Veranstalters der Aufführung von großer Bedeutung. Denn nur das Kleine Recht kann verhältnismäßig einfach und zu festen Tarifen von der GEMA lizenziert werden, wohingegen das Große Recht grundsätzlich beim Urheber liegt und hinsichtlich der Vergütungshöhe individuell zu verhandeln ist. Freilich werden Urheber das Große Recht in der Praxis oftmals einem Musikverlag zur Wahrnehmung übertragen haben. Ein entscheidender Unterschied ist ferner, dass Urheber bzw. Musikverlag im Falle des Großen Rechts eine Lizenzierung verweigern können, wohingegen die GEMA nach § 34 Abs. 1 VGG einem Abschlusszwang unterliegt und das Kleine Recht lizenzieren muss, solange die nach festen Tarifen bemessene Lizenzvergütung gezahlt wird. Entscheidet sich der Veranstalter der Aufführung falsch und lizenziert das Kleine Recht von der GEMA, obwohl es sich um Großes Recht handelt, stellt die (dann unlizenzierte) Aufführung, wie das Landgericht Düsseldorf nun einmal mehr bestätigte, eine Urheberrechtsverletzung dar.

Orientierungshilfe bei der Abgrenzung: Die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf

Orientierungshilfe bei der Abgrenzung bietet die Rechtsprechung der Zivilgerichte. Das Landgericht Düsseldorf (den Volltext der Entscheidung finden Sie hier) stützte sich auf die existierende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Thema (v.a. Musical Starlights und Eisrevue I) und argumentierte wie folgt: Es kommt nicht auf den Charakter des Werkes als solches an, sondern allein auf die Art und Weise der Wiedergabe. Musik, die ein bewegtes Spiel begleitet, wird bühnenmäßig aufgeführt, wenn sie integrierender Bestandteil des Spielgeschehens ist und nicht zur bloßen Untermalung dient. Die bühnenmäßige Aufführung ist gekennzeichnet durch bewegtes Spiel im Raum.

Die streitgegenständliche Musik wurde als integrierender Bestandteil des Spielgeschehens betrachtet, da sie genau auf die szenische Darbietung angepasst ist und einzelne Handlungsteile betont, z. B. indem sie die Atmosphäre einzelner Szenen unterstützt und durch die Darbietung der Schauspieler dargestellte Stimmungen wiederspiegelt. Dabei verbinden sich die Dramaturgie des gesprochenen Wortes und die Musik zu einer Einheit.

Fazit

Theater und Bühnenproduzenten sollten aus der Entscheidung mitnehmen, dass die Abgrenzung des Großen vom Kleinen Rechts nicht nur im Bereich des Musiktheaters im engeren Sinne von größter Bedeutung ist, sondern auch im klassischen Sprechtheater. Denn sobald die eingesetzte Musik in besonderer und dramaturgisch gewinnbringender Weise auf die szenische Darstellung abgestimmt ist bewegt man sich jedenfalls potenziell im Bereich des Großen Rechts. Dies ist besonders wahrscheinlich, wenn die Musik speziell für die in Frage stehende Inszenierung komponiert wurde. Im vorliegenden Fall machte weder die Tatsache, dass die Musik vom Band kam, noch dass sie bei einer Gesamtspieldauer von 2 Stunden und 50 Minuten insgesamt nur ca. 30 Minuten zu hören war, einen Unterschied.

Der wohlgesetzte Einsatz von Musik wertet jede Bühneninszenierung auf. Die damit verbundenen rechtlichen Fragestellungen sollten jedoch nicht unterschätzt werden. Da die Lizenzierung durch die GEMA keine Versicherung für den Ernstfall darstellt, wird empfohlen, in Zweifelsfällen Rechtsrat einzuholen.

 

Unser Update zu dem Thema Großes Recht im Sprechtheater finden Sie hier!

Share this