Nicht fungible Token (NFT) – eine rechtliche Einordnung (Teil 2)

von am 27. Juli 2022

NFT – spätestens seit dem rückblickend epochalen Verkauf der digitalen Bildcollage „EVERYDAYS: THE FIRST 5000 DAYS“ des Künstlers Beeple im März 2021 scheint es so, als ob diesem Buchstabenkürzel nicht zu entkommen ist. Was aber sind NFTs und welche rechtlichen Herausforderungen bringen sie mit sich? Dies ist der zweite Teil unserer Artikel-Reihe.

Was sind NFTs aus rechtlicher Sicht?

In unserem ersten Beitrag hatten wir dargestellt, was ein NFT ist: eine digitale, in der Blockchain (sehr) fälschungssicher gespeicherte Wertmarke („Token“), die ein exklusives Zugriffsrecht auf einen spezifischen, einmaligen „Asset“ erlaubt. Wie aber ist diese Wertmarke rechtlich einzuordnen?

Wiederum ist wichtig, zwischen „Token“ und „Asset“ zu unterscheiden – denn die Wertmarke ist gerade nicht der Wert an sich. Vermittelt die Wertmarke verbindlich den Zugriff auf den Asset, eröffnet sich die Frage danach, welche Rechtsposition der „Token“ einnimmt und, vor allem, welchen rechtlichen Schutz der „Token“ genießt.

Wer einen NFT erwirbt, wird zunächst im Rahmen des mit dem Erwerb einhergehenden Kaufvertrags schuldrechtliche Ansprüche erwerben. Die Rechte aus dem Kaufvertrag wirken allerdings nur relativ – sie entfalten ihre Wirkung nur zwischen den Parteien des Vertrages. Für den Erwerber eines NFTs ist es jedoch wünschenswert, dass ihm daneben auch eine absolute Rechtsposition, ein gegenüber beliebigen Dritten durchsetzbares Herrschaftsrecht an seinem „Token“ zusteht. Ob dies der Fall ist, ist umstritten – da es sich bei NFTs um eine neuartige, dem Recht (noch) unbekannte Figur handelt, ist die rechtliche Diskussion insofern offen.

Diskutiert wird die direkte Anwendung des Sachenrechts: dem Inhaber des NFTs soll demnach eine Eigentumsposition zugewiesen sein. Dies ist jedoch, zumindest nach geltender Rechtslage, nicht zutreffend: das Recht der materiellen Gegenstände unterliegt einem Typenzwang. Und ein NFT entspricht gerade keinem der von der Rechtsordnung vorgesehenen Typen: Wie ausgeführt handelt es sich bei einem NFT um nichts anderes als um einen Datensatz, der in einer Datenbank gespeichert ist. Daten sind, zumindest nach allgemein herrschender Ansicht, als solche keine eigenständigen Rechtsubjekte. Insbesondere sind Daten keine Sachen im Sinn von § 90 BGB, was eine Eigentumsposition im Sinn von § 903 BGB per se ausschließt.

Ebenso wenig kommt eine absolute Rechtsposition aus dem ebenso von Typenzwang geprägten Immaterialgüterrecht in Betracht. Weder der NFT selbst noch die in ihm verkörperten Informationen unterfallen einem der bekannten Rechtsinstitute. Insbesondere ein urheberrechtlicher Schutz des „Tokens“ ist regelmäßig nicht einschlägig. Denn wie gesagt handelt es sich bei einem NFT lediglich um Daten, die aus einer computergenerierten Aneinanderreihung von Programmcode bestehen. Ein NFT hat also weder einen menschlichen Urheber, noch erreicht es die gemäß § 2 Absatz 2 UrhG erforderliche Schöpfungshöhe.

Da also die direkte Anwendung sowohl des Sachenrechts als auch des Immaterialgüterrechts nicht möglich ist, gibt es durchaus zahlreiche Vertreter der Meinung, dass auf NFTs das Sachenrecht analog anzuwenden sei. Für eine solche Auslegung sprechen durchaus sinnvolle Argumente. Dennoch erscheint es diskutabel, ob wirklich eine – für eine analoge Anwendung erforderliche – notwendigerweise zu füllende gesetzliche Regelungslücke besteht. Dies dürfte nur dann der Fall sein, wenn dem Inhaber eines NFTs der erforderliche und gebotene Schutz tatsächlich nicht aus anderen Rechtsinstituten erwächst. Und ob wiederum dies der Fall ist, wird wahrscheinlich für die nähere Zukunft Gegenstand rechtlicher Debatten, Gerichtsverfahren und letztendlich auch weiterer Gesetzgebung bleiben. Nach Dafürhalten der Autoren erscheint aus heutiger Sicht eine analoge Anwendung des Sachenrechts und den dazugehörigen Rechtsfolgen zumindest nicht einfach durchsetzbar zu sein. Dies insbesondere, da das BGB durchaus Instrumente kennt, die einen sachgerechten Umgang mit NFTs ermöglichen.

So erklärt § 453 Absatz 1 BGB das Kaufrecht für Sachen auf „Rechte und sonstige Gegenstände“ für anwendbar (womit auch außer Frage gestellt wird, dass beim Erwerb eines NFTs jedenfalls schuldrechtliche Ansprüche entstehen).

Auch wenn ein NFT weder unmittelbar noch analog als eine Rechtsposition des Sachen- oder des Immaterialgüterrechts angesehen werden kann, bleibt eine Einordnung als „sonstiges Recht“ im Sinn von § 823 Absatz 1 BGB. Als „sonstiges Recht“ sind solche Rechte zu verstehen, die den in dieser Norm ausdrücklich genannten Rechtsgütern – wie eben dem Eigentum – vergleichbar sind, also eine Zuordnungs- und Ausschlussfunktion haben. NFTs erfüllen genau diese Funktionen: als Wertmarken sollen sie dem Inhaber den Zugriff auf den darauf bezogenen Asset ermöglichen. Ebenso soll der NFT eben nur dem Inhaber den Zugriff ermöglichen und alle Dritten von dem Zugriff ausschließen. Damit erscheint es geboten, NFTs als „sonstige Rechte“ im Sinn von § 823 BGB anzusehen, da sie dem Inhaber eine absolute, eigentumsähnliche Position einräumen. Dem Inhaber eines NFTs wird also neben der schuldrechtlichen Position gegenüber seinen Vertragspartnern (etwa innerhalb der Blockchain) zumindest auch ein deliktischer Schutz zustehen.

 

In unserem nächsten Artikel der Reihe beschäftigen wir uns mit der Frage, wer einen Asset tokenisieren darf.

 

Bereits in der Reihe erschienene Artikel:

Nicht fungible Token (NFT) – eine rechtliche Einordnung (Teil 1): Was sind NFTs?

Nicht fungible Token (NFT) – eine rechtliche Einordnung (Teil 3): Tokenisieren und Urheberrecht

Nicht fungible Token (NFT) – eine rechtliche Einordnung (Teil 4): Handel mit NFTs

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