Nicht fungible Token (NFT) – eine rechtliche Einordnung (Teil 3)
NFT – spätestens seit dem rückblickend epochalen Verkauf der digitalen Bildcollage „EVERYDAYS: THE FIRST 5000 DAYS“ des Künstlers Beeple im März 2021 scheint es so, als ob diesem Buchstabenkürzel nicht zu entkommen ist. Was aber sind NFTs und wie sind sie aus rechtlicher Sicht zu beurteilen? Im dritten Teil unserer Artikel-Reihe gehen wir der Frage nach, wer einen Asset tokenisieren darf.
Was ist „minten“? Und was ist „tokenisieren“?
Zunächst ist es wichtig, zwischen „Token“ und „Asset“ zu unterscheiden. Denn der „Token“ – der NFT – ist nur eine Wertmarke. Er ist jedoch gerade nicht der Wert an sich. Der Wert, den die Wertmarke vermittelt, ist das „Asset“. Wie aber finden Token und Asset zueinander?
Ein NFT ist eine auf der Blockchain hinterlegte Wertmarke, die zunächst erschaffen werden muss. Die Erstellung eines NFTs wird im Crypto-Jargon „minten“ genannt (aus dem Englischen: to mint = eine Münze prägen). Dafür wird eine spezifische Software genutzt, in der Regel die einer Handelsplattform wie zum Beispiel OpenSea. Diese Software ist mit dem Wallet des Nutzers verbunden, das als Aufbewahrungsort – quasi als digitaler Geldbeutel – für die NFTs funktioniert. Dort wird der Token nach Erstellung gespeichert. Während des „Mintens“ wird regelmäßig ein Smart Contract im Code des NFT angelegt, der insbesondere auch den Bezug zwischen dem Token und dem Asset fest herstellt. Dieser Prozess der Verbindung des Assets mit einem NFT wird als „Tokenisierung“ bezeichnet.
Wer darf ein Asset tokenisieren?
Bei den mit den NFTs verknüpften Assets handelt es sich regelmäßig um Objekte, die selbständig rechtlich geschützt sind, an denen Rechte bestehen oder die geschützte Rechtspositionen beinhalten. Offensichtlich ist dies bei NFTs, die auf physische Gegenstände wie etwa wertvolle Automobile, Whiskeys oder Uhren bezogen sind, die einen Eigentümer haben. Ebenso können aber auch Immaterialgüterrechte am bzw. im Asset bestehen, wie zum Beispiel Markenrechte (mehr dazu mehr in einem späteren Blogbeitrag) oder geschützte Designs. Insbesondere aber können urheberrechtlich geschützte Werke wie etwa Bilder, Texte, Musik und Videos/Filme Assets darstellen.
Damit stellt sich die Frage, ob der Vorgang des Tokenisierens eine für die am Asset bestehenden Rechte relevante Handlung darstellt. Das ist nicht trivial: Denn der NFT soll als Wertmarke seinem Inhaber den Zugriff auf das Asset verbriefen, auf das der NFT bezogen ist. Ebenso soll der NFT alle Dritten von dem Zugriff ausschließen; er soll also dem Inhaber eine zumindest eigentumsähnliche Position vermitteln. Diese Funktionen kann er nur erfüllen, wenn bestehende Rechte nicht entgegenstehen. Werden aber mit dem Tokenisieren vorbestehende Rechte verletzt, stehen dem eigentlichen Rechteinhaber Abwehrrechte zu und er kann sich gegen den Vorgang zur Wehr setzen.
Dass dies keineswegs eine rein akademische Frage ist, zeigt sich an einer Reihe prominenter rechtlicher Auseinandersetzungen. So streitet sich der Londoner Galerist Ben Moore mit von ihm repräsentierten Künstlern. Ben Moore hat NFTs von Kunstwerken gemintet, die in seiner Galerie ausgestellt waren – ohne die Künstler zuvor um Erlaubnis zu bitten oder diese an den Erlösen zu beteiligen. Ebenso streitet sich Regisseur Quentin Tarantino mit der Produktionsfirma Miramax darum, nicht veröffentlichte Teile des Films „Pulp Fiction“ über NFTs zu verkaufen. Und auch in Deutschland gibt es erste Auseinandersetzungen: Im Februar 2022 tokenisierte der Kunsthändler Julian Sander Fotos seines Urgroßvaters, des bekannten Fotografen August Sander – was die Kölner Stiftung SK Kultur auf den Plan rief, die 1992 mutmaßlich sämtliche Rechte am Werk von August Sander erworben hat und diese noch bis 2034 innehat.
Tokenisieren und Urheberrecht
Zunächst ist fraglich, ob der Vorgang des Tokenisierens überhaupt urheberrechtlich relevant ist: Im Akt des Verbindens eines NFT mit einem urheberrechtlich geschützten Asset ist weder eine körperliche Verwertung des Assets im Sinn von §§ 16 ff. UrhG zu sehen noch eine unkörperliche Nutzung in Form eines der gesetzlich geregelten Unterfälle der öffentlichen Wiedergabe im Sinn von §§ 19 ff. UrhG.
Ist also das Tokenisieren urheberrechtlich gar nicht relevant, weil es nicht in die dem Urheber zugewiesenen Rechte eingreift? Diese Frage ist (höchst-)richterlich noch nicht geklärt.
Allerdings ist der Katalog der in § 15 Abs. 2 UrhG genannten und in §§ 19 ff. UrhG näher ausgestalteten Unterfälle der öffentlichen Wiedergabe keineswegs abschließend. Es gibt auch unbenannte Rechte der öffentlichen Wiedergabe. § 31a UrhG erwähnt explizit „unbekannte Nutzungsarten“ und es sprechen durchaus gute Argumente dafür, im Tokenisieren eine solche neue, „unbekannte Nutzungsart“ im Sinn von § 31a UrhG zu sehen. Schließlich schützt die Generalklausel des § 11 UrhG den Urheber in seinen „geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes“. Damit sollen dem Urheber grundsätzlich alle Verwertungsmöglichkeiten zuerkannt werden. Diese dürften zumindest dann betroffen sein, wenn die einem NFT inhärente Möglichkeit genutzt wird, mit Hilfe von Smart Contracts die Zweit- und Drittverwertung zu kontrollieren und insbesondere auch an Weiterverkäufen zu partizipieren. Es spricht vieles dafür, dass es dem Zuweisungsgehalt des Urheberrechts widerspräche, wenn etwa ein Galerist, ein Kunsthändler oder letztlich jeder beliebige Internetnutzer mit einem Wallet ein urheberrechtlich geschütztes Werk mit einem NFT so besetzen könnte, dass er ohne eigenes wesentliches Zutun von der Werthaltigkeit dieses Assets profitieren und den Urheber von potentiellen Verdiensten abschneiden könnte. Ein solches kommerzielles Ausnutzen fremder Leistungen wird nicht ohne Grund etwa im Rahmen der (Kabel-)Weitersendung im Sinn von § 20b UrhG unter den Vorbehalt der Gestattung durch den Urheber gestellt.
Sieht man das Tokenisieren als urheberrechtlich relevant an, wird dieser Vorgang also nicht ohne die Zustimmung des Urhebers des Assets (bzw. desjenigen, dem der Urheber das entsprechende Recht eingeräumt hat) erfolgen dürfen. In der Folge wäre nur der Rechtsinhaber berechtigt, einen NFT auf seinen Asset zu minten und zum Verkauf anzubieten. Auch wäre jedes Tokenisieren ohne Gestattung des Rechtsinhabers widerrechtlich und ermöglichte dem Urheber, Unterlassung und Schadensersatz geltend zu machen.
Auch wenn man die Tokenisierung für sich genommen noch nicht als Nutzung ansehen mag: Auf jeden Fall greift die Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung des Assets im Zusammenhang mit der Nutzung und dem Handel des zugehörigen NFTs in Verwertungsrechte ein und kann vom Rechtsinhaber untersagt werden.
Was sagen die Lizenzverträge?
Bei der Beantwortung der Frage, wer ein urheberrechtlich geschütztes Werk tokenisieren darf, kommt es somit insbesondere bei älteren Werken auf die Vertragslage an: Hat der Urheber Nutzungsrechte an dem Werk vergeben? Und wenn ja, umfasst diese Rechteeinräumung diese – damals im Sinn von § 31a UrhG unbekannte – Nutzungsart?
So wird in der Auseinandersetzung zwischen dem Kunsthändler Julian Sander und der Kölner Stiftung SK Kultur der 1992 von seinem Vater geschlossene Vertrag eine maßgebliche Rolle spielen. Wurde das Recht zum Tokenisieren der Stiftung eingeräumt? Oder ist dieses bei August Sander bzw. seinen Erben verblieben? Natürlich waren NFTs 1992 noch kein Thema, hier werden die vorhandenen Verträge bewertet und ausgelegt werden müssen.
Für alle Urheber und Verwerter, die im Jahr 2022 Lizenzverträge schließen, muss daraus jedoch folgen: Das Thema NFT sollte bei der Vertragsgestaltung unbedingt mitgedacht und berücksichtigt werden.
In unserem nächsten Artikel der Reihe beschäftigen wir uns mit der Frage, was beim Handel mit NFTs zu beachten ist.
Bereits in der Reihe erschienene Artikel:
Nicht fungible Token (NFT) – eine rechtliche Einordnung (Teil 1): Was sind NFTs?
Nicht fungible Token (NFT) – eine rechtliche Einordnung (Teil 4): Handel mit NFTs